Katharsia (German Edition)
Kette unter die Nase.
„Aber dieser Ring hier, sehen Sie ihn? Es ist der Hühnergott … ich meine … der Key, nach dem ganz Katharsia sucht!“
Sie verzog ihr Gesicht zu einem gequälten Lächeln. „Unsinn, Junge! Ketten mit so einem Ring trägt in Makala jede zweite Frau. Es ist der neueste Schrei.“
„Sind Sie sicher? Woher kommen denn die vielen Keys?“
„Lass sie in Ruhe!“, forderte ihn nun Achmed auf. „Du siehst doch, es ist nichts dran an deiner Geschichte! Wenn es dich interessiert: In Jamal al Dins Schmuckboutiquen hängen Hunderte ähnlicher Ketten.“
„Jamal al Din, der Bauunternehmer?“
„Genau der. Er hat einen Riecher für Geschäfte. Er liefert, wonach ganz Katharsia sucht.“
Trotz seiner Enttäuschung konnte sich Sando eines Gefühls der Bewunderung für den einfallsreichen Geschäftsmann nicht erwehren. Darauf musste man erst einmal kommen: aus der fieberhaften Suche nach dem Key Kapital zu schlagen.
So, wie der gestrickt ist, wird er die Verluste aus dem Bau des Vergnügungsparks wieder wettmachen , dachte Sando und ließ Achmed und Agila ziehen. Dass er den General um Hilfe für Massef bitten wollte, hatte er vergessen.
Plötzlich glühte taghelles Licht auf. Es tat einen gewaltigen Schlag, der mit einem vielstimmigen „Aaah!“ beantwortet wurde. Ein Feuerwerk hatte begonnen. Der Platz vor dem Eingang der Halle füllte sich schnell mit Gästen. Festliche Barockmusik lieferte die akustische Kulisse zu den bunt aufflackernden Sternenhaufen, die am Himmel abbrannten und einen dichten Nebel aus Qualm erzeugten. Immer wieder wummerten ohrenbetäubende Kanonenschläge in die zart gewobene Komposition hinein. Ein Kontrast, wie er stärker nicht sein konnte.
Sando ging neugierig auf das Spektakel aus Licht, Rauch und Lärm zu. Die silberne Haut des Interkontinentalgleiters, der sich die Fläche vor der Halle mit vielen begeisterten Gästen teilte, verdoppelte wie ein überdimensionaler Spiegel die Wirkung des imposanten Schauspiels.
An der Treppe zum Eingang angelangt, entdeckte Sando in der Flut der herausströmenden Gäste Maria. Sein Herz klopfte. Er spürte es sogar in diesem Tohuwabohu. Sie sah hinreißend aus in ihrem klassisch roten Abendkleid.
Sie ist die Schönste unter den vielen Schönen hier , dachte er und dann umwölkte sich seine Stirn. An ihrer Seite war Jamal al Din aufgetaucht. Sie nahm sich seinen Arm, lächelte ihm zu. Auch sie trug einen Hühnergott. Sando erkannte ihn aus der Entfernung, denn er hing schlicht an einer feinen Silberkette.
Plötzlich drehte sich Marias Kopf in Sandos Richtung. Ihre Blicke trafen sich. Für die Dauer eines Wimpernschlages verzögerte sich ihr Schritt, runzelte sie ihre Stirn.
Ein Erinnern?
Sando wagte es schon nicht mehr zu hoffen.
Nein, er würde sie diesmal nicht ansprechen. Eine erneute Enttäuschung ertrüge er nicht. Der kurze Blick, der verhaltene Schritt – damit wollte er sich heute zufrieden geben. Er hatte seinen Gefährten versprochen, keine Dummheiten zu machen, sollte er Maria begegnen. Und daran würde er sich halten, wenn es auch schwerfiel.
Allmählich veränderte sich der Charakter des allgemeinen Lärms. In die Begeisterungsrufe zwischen den Kanonenschlägen mischte sich aufgeregtes Geschrei. Im unsteten Licht des Feuerwerks sah Sando, dass Leute an einem Punkt im Park zusammenliefen. Die Sirene eines Rettungsmobils heulte auf. Ein blitzendes Rundumlicht, im Feuerwerk kaum auszumachen, näherte sich der Stelle, an der die Menschentraube stand. Sando gesellte sich hinzu und wurde kurz darauf unsanft von einem Sanitäter beiseite gedrängt. „Mach Platz, Junge! Gaffer können wir hier nicht gebrauchen.“
Sando trat zurück, nahm ein wenig Abstand von dem Pulk. Er wartete. Eine bange Vorahnung erfüllte ihn.
Der Mann, der schließlich an ihm vorbeigetragen wurde, war Massef! Er gab kein Lebenszeichen von sich. In Sandos Herzen gab es einen Stich.
„Was ist mit ihm?“, fragte er den Notarzt, der die Sanitäter mit der Trage begleitete und Massef unablässig beobachtete.
„Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Junge …“
Unwirsch blickte ihn der Mediziner an, stutzte, kräuselte die Stirn und fragte schließlich: „Bist du nicht der junge Auvisor?“
„Ja, der bin ich.“
Die Miene des Arztes hellte sich auf und Sando bettelte: „Hören Sie, dieser Mann hat mir sehr geholfen. Ich muss wissen, wie es ihm geht.“
„Es ist eine Ohnmacht“, erklärte der Notarzt nun bereitwillig. „Was
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