Katharsia (German Edition)
einmal wieder hellwach, konnte seinen Blick nicht von ihm wenden. Der Synthesewerker nahm ihn aus dem Laufwerk, hielt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger und betrachtete ihn aufmerksam.
„Es ist seltsam … Im Moment unterscheidet er sich in nichts von den anderen hier.“ Er zeigte auf eine durchsichtige Box, in der Sando weitere Keys erkannte.
„Sind das Rohlinge?“, fragte er.
„Du sagst es. Auf denen ist noch nichts gespeichert.“
Die Panzertür der Zentrale öffnete sich und einer der Untergebenen steckte den Kopf herein. „Wir haben jetzt genügend Kokon zusammen. Aber wir brauchen einen dritten Mann, um das Loch abzudichten.“
„In Ordnung, ich komme.“
Der Chef blickte Sando bedauernd an. „Bei Personalmangel muss eben der Boss selber ran. Warte hier, Junge! Es dauert nicht lange.“
Mit diesen Worten legte er den Key in das Laufwerk zurück und wandte sich zum Gehen.
In der Tür sagte er noch: „Ruh dich solange aus! Du siehst, milde ausgedrückt, ziemlich mitgenommen aus. Und fass nichts an!“
Damit war er verschwunden.
„Fass nichts an“, hatte der Mann gesagt – aber wie sollte Sando das befolgen, wenn vor ihm der Key lag? Sein Hühnergott! Er gehörte in das Medaillon mit der Madonna!
Der Junge überlegte nicht lange, fingerte den Halsschmuck heraus, öffnete das Geheimfach und griff sich blitzschnell den Key. Nachdem die Kette wieder unter seiner Kleidung verschwunden war, sprang er zu dem Kästchen mit den Rohlingen, nahm einen heraus und legte ihn auf den Schwenkarm. Damit sah alles wieder aus wie zuvor. Den Austausch, so hoffte er, würde keiner so schnell bemerken, schließlich funktionierte der echte Key ebenso wenig wie ein Rohling.
Nun hielt es ihn nicht länger in der Steuerzentrale. Er musste weiter! Es bereitete ihm Sorge, dass es keine Verbindung zur Festung gab, und er fragte sich, was dort geschehen sein mochte. Er schloss seinen Schutzanzug, stülpte sich das Goldfischglas über und verließ den Raum. Da er nicht heimlich, still und leise verschwinden wollte, weil dies Verdacht erregen könnte, lief er durch den Gang zurück zum Schacht. Dort traf er die drei Männer, die sich redlich bemühten, die Kokonbahn über dem schwarzen Schlund aufzuspannen.
„Was machst du denn hier?“, fragte ihn der Chef erstaunt.
„Ich muss zur Festung! Es ist dringend! Doktor Fasin erwartet mich.“
„Aber ich sagte dir doch …“
„Ich bin der Auvisor!“, unterbrach ihn Sando. „Der Doktor braucht mich für die entscheidende Schlacht!“
Der Chef ließ die Kokonbahn los und richtete sich schnaufend auf. „Das kann ja sein, Junge. Aber es gibt keine Möglichkeit, durch die geschlossenen Fronten zu kommen.“
„Lassen Sie sich etwas einfallen! Der Doktor wird Ihnen dankbar sein.“
„Ausgeschlossen! Das Einzige, was jetzt noch durchkommen kann, ist so ein Monstervieh.“
„Sie meinen, ein Chamäleon?“
„Sehr richtig.“
„Gute Idee! Ich nehme eine Echse.“
„Das ist nicht dein Ernst?!“
„Wieso nicht? Es ist nicht das erste Mal, dass ich auf so einem Urtier reite.“
Plötzlich hörte Sando ein Zirpen nah an seinem Ohr. „Ich bin stolz auf dich, Hasenscharte, du willst ja wirklich zurück zur Festung!“
Lemmings Seele tauchte vor seinem Helm auf. Es war der große, beinahe erwachsene Junge vom Schwarzen See. Sando hätte ihn fast nicht wiedererkannt, so sehr hatte er sich an Mikes narbenverzerrtes Gesicht gewöhnt.
„He!“, flüsterte der Junge überrascht. „Du machst ja Sachen!“
Lemming blickte erst schmerzlich drein, dann aber lächelte er spitzbübisch.
„Wieso? Ich bin leichter als du durch dieses Loch heraufgekommen. Und hier oben gibt es Retamin in Hülle und Fülle.“
Jetzt war es Sando, der schmerzlich sein Gesicht verzog.
„Was ist mit dir?“, hörte er daraufhin den Chef am Sprengloch fragen. „Packt dich doch die Angst vor dem Urtier?“
„Nein, nein!“, versicherte Sando schnell. „Ist denn noch eine Echse da?“
Er befürchtete, dass die Kampfmaschinen längst unterwegs waren.
„Es sind sogar noch zwei hier. Doktor Fasin war wohl der Meinung, fünf dieser Monster würden fürs Erste genügen. Aber wenn es ihm so wichtig ist, seinen Auvisor bei sich zu haben …“
„Das ist es, da können Sie sicher sein.“
„Also gut, dann komm mit!“
Der Chef führte Sando zu einem Lift, mit dem sie einige Etagen aufwärts bis zur Ebene null fuhren. Sie gelangten in eine von rotem Abendlicht durchflutete Halle. Der
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