Katharsia (German Edition)
eines der abgestellten Maschinen. „Mit den Dingern kenne ich mich aus.“
Sando nickte erfreut und fuhr fort: „Und zweitens: Der Baggerfahrer steht nicht mit in der Schaufel.“
Der Wachmann stutzte und sagte dann treuherzig: „Wenn ihr oben seid, lasst ihr die Strickleiter ganz herunter oder sorgt für andere Hilfe. Versprecht ihr mir das?“
Gerührt von dem Vertrauen, das der Fremde in sie setzte, sagte Sando: „Sie können sich auf uns verlassen!“
Lemming, der keinen anderen Ausweg sah, schloss sich dem wohl oder übel an. Also machte sich der Wachmann daran, den Bagger in Gang zu setzen.
Er hatte nicht zu viel versprochen. Die Raupenketten mahlten sich ein Stück den Schuttberg hoch. Dann schrammte die mächtige, zahnbewehrte Schaufel durch das Geröll, bis einige schwere Felsbrocken hineinpolterten. Zu guter Letzt stellte der Baggerfahrer die stählerne Wanne so, dass Sando und Mike einsteigen konnten.
„Was sollen die Steine hier drin?“, schrie Lemming gegen das Motorgeräusch an. „Sie werden uns noch erschlagen!“
Der besseren Verständigung wegen kletterte der Wachmann aus der Kanzel heraus und kam zu Sando und Mike, die sich bemühten, eine sichere Position zwischen den Felstrümmern in der Baggerschaufel zu finden.
„Mit den Steinen beschwert ihr die Strickleiter“, erklärte er. „Sie muss ordentlich straff hängen, sonst kommt ihr nie oben an.“
„Hoffentlich schaffen wir es überhaupt“, brummte Mike mit einem skeptischen Blick zur Tunneldecke.
„Du wirst es schon schaffen, so wie du gebaut bist …“, machte ihm der Wachmann Mut, während er seinen Helm absetzte.
„Was machen Sie da?“, fragte Sando entgeistert.
„Das Ding stört mich beim Navigieren. Es ist nicht so einfach, die Baggerschaufel in die richtige Position zu bringen.“
Er sah sich zum Tunnel hin um.
„Der Kokonvorhang wird doch ein Weilchen halten, oder?“
„Die Luft ist rein, keine Seele in Sicht“, bestätigte Sando.
„Also dann, viel Glück – und vergesst nicht, mich nachzuholen!“
„Versprochen.“
Der Mann verschwand, den Helm unter dem Arm.
Bald darauf ruckte der Ausleger des Baggers an, hob Sando und Mike, die sich an den Stahlzähnen der Schaufel festklammerten, in die Höhe. Es ruckelte zwar gehörig, aber nach einigem Hin und Her hatte es der Baggerführer hinbekommen, dass die beiden untersten Sprossen der Strickleiter am Boden der Schaufel lagen. Sando und Mike wuchteten nun mit vereinter Kraft ein paar Felsbrocken darüber. Als sie dies geschafft hatten, gab Sando dem Fahrer ein Zeichen, dass sie bereit waren. Der ließ daraufhin den Baggerarm ein wenig sinken, sodass sich die Strickleiter straffte. Der Aufstieg konnte beginnen!
Sando kletterte voran. Schon die ersten Tritte machten ihm klar, dass es ein äußerst schwieriges Unterfangen war, und ihm graute vor dem Weg, der vor ihm lag. Der Anzug erschwerte jede seiner Bewegungen. Der kugelige Helm verhinderte, dass er sich eng an die Leiter anschmiegen und dadurch ein wenig Kraft sparen konnte.
Er mochte fünf Meter gestiegen sein, als er keuchend innehielt. Der Blick nach oben machte ihn mutlos. Die Decke schien unerreichbar. Mindestens zwanzig Meter lagen noch vor ihm. Und welche Strecke innerhalb des schwarzen Loches noch zu steigen war, darüber dachte er besser nicht nach. Unter sich spürte er Mike auf der Leiter. Auch er atmete schwer.
Weiter , feuerte sich Sando an – als er sie plötzlich kommen sah: eine Handvoll Seelen! Es mussten diejenigen sein, die ihm am Vorhang durchgeschlüpft waren. Sando hatte nicht mehr mit ihnen gerechnet, hatte gedacht, dass sie längst durch das Sprengloch hinaus in die Freiheit gelangt waren.
Ein Irrtum!
Entsetzt beobachtete er, wie sie auf die Kanzel des Baggers zuschwebten. Der Fahrer war völlig ahnungslos. Er schaute zu ihnen hinauf und verfolgte ihren mühseligen Aufstieg.
„Den Helm!“, schrie Sando. „Setzen Sie sofort den Helm auf!“
Doch es war bereits zu spät. Die Seelen hatten sich auf den Wachmann gestürzt. Mit verdrehten Augen und zuckenden Gliedern griff er in die Steuerhebel. Der Baggerarm ruckte, mal nach links, mal nach rechts, die Leiter geriet ins Schwingen, drohte die beiden Kletterer abzuschütteln wie reife Früchte vom Baum. Sando klammerte sich fest. Wie lange würde er noch durchhalten?
Er hörte Mike brüllen: „Was machst du denn, du Hornochse?! Hör sofort auf damit!“
Er wusste nicht, was dort unten vor sich ging, hielt die Schaukelei
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