Katharsia (German Edition)
folgte.
„Und was treibt Sie hierher?“, bohrte Achmed weiter. „Ich meine, gibt es jetzt nicht genug in New York für Sie zu tun?“
„Hier ist der Ausgangspunkt der Katastrophe, Herr General. Ich will die Fakten zusammentragen, wie es dazu kommen konnte, dass dieses Schreckgespenst aus dem Mittelalter wieder aufersteht.“
Das Gesicht des Grafen versteinerte, als ihm der Reporter diese Worte direkt ins Gesicht sagte.
General Assadi nickte. „Das ist gut. Halten Sie alles fest, Herr Vitelli! So etwas wird gern vergessen.“
Doch ehe der Moderator mit der Arbeit begann, ließ er es sich nicht nehmen, Sando und Ben zu begrüßen.
Nach einer kurzen, herzlichen Umarmung sagte er: „Ihr ahnt gar nicht, wie es mich freut, euch lebend zu sehen! Es grenzt an ein Wunder, dass ihr es heil überstanden habt.“
Bei diesen Worten streifte sein Blick Gregor.
„Ist das nicht …?“
Erst jetzt schien er zu erkennen, wer da am Boden lag. Er beugte sich zu ihm hinab, nahm dessen Hand und schwieg betroffen.
„Sparen Sie sich die Trauer!“, provozierte der Graf. „Er hat mich hinterhältig angegriffen und seine gerechte Strafe bekommen!“ Niemand tat ihm den Gefallen, darauf einzugehen.
Vitelli richtete stumm seine Kamera auf ihn und startete ein Blitzlichtgewitter. Unwillig kniff der Getroffene die Augen zusammen. Doch Vitelli drückte grimmig auf den Auslöser, sicher öfter, als es nötig gewesen wäre.
„Danke, ich habe genug von ihm!“, sagte er schließlich an Achmeds Adresse.
Der gab seinen Leuten einen Wink und sie schleiften Wolfenhagen zum Saalausgang. Sando sah ihm nach, dem Kreuzfahrer, der so viel Leid und Zerstörung über Katharsia gebracht hatte. Würde man es mit einem Gerichtsprozess, einem Urteil vergelten können? Und wie wollte man verhindern, dass er je wieder Macht erlangte, er, der sogar aus dem Hades ausgebrochen war, eine ganze Seelenarmee im Rücken? Nicht auszudenken, wenn ihm ausreichend Retamin zur Verfügung gestanden hätte …
Sando stutzte.
„Halt!“, rief er der Eskorte nach. „Er hat den Hühnergott!“
„Wie bitte?“, kam es irritiert zurück.
„Er hat mir mein Medaillon gestohlen! Ein Marienbildnis!“
„Wenn es weiter nichts ist … Wir kümmern uns drum, Junge. Alles zu seiner Zeit.“
Sie schoben den Grafen weiter zum Ausgang.
„Nein, bitte sofort!“
Sando lief der Gruppe nach, während Ben Achmed erklärte, was es mit dem Medaillon auf sich hatte. „Nehmen Sie ihm das Gestohlene ab!“, befahl der daraufhin seinen Leuten.
Sando traf der hasserfüllte Blick des Grafen, als er eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen musste. Einer der Kämpfer fand das Gesuchte in einer Ärmeltasche des rot-gelben Wamses und überreichte es Sando mit einem aufmunternden Lächeln. „Hier, Junge, wenn es dir so wichtig ist.“
„Danke.“
Er nahm das Medaillon entgegen. Während er zu Ben, Achmed und Vitelli zurückkehrte, öffnete er es und entnahm ihm den Hühnergott, der noch Hitze ausstrahlte.
„Ist das der berühmte Key?“, fragte Achmed neugierig.
„Ja.“ Zögernd überreichte Sando dem General den glänzenden Ring. Er tat es nicht gern. Schon einmal hatte er ihn weggegeben und er war in die falschen Hände geraten.
„Passen Sie gut auf ihn auf! Bitte!“, sagte er eindringlich.
Mit spitzen Fingern, beinahe ehrfürchtig, fasste Achmed zu.
„Ich weiß, er ist Segen und Fluch in einem. Du kannst dich auf mich verlassen.“
Unverwandt betrachtete er das blinkende Metall. Vitelli ließ sich dieses Bild nicht entgehen, hielt es mit einem Blitz fest, bevor der General das wertvolle Stück bedächtig in eine Tasche seiner wüstenstaubbedeckten Panzerweste steckte.
Das leere Medaillon lag nun wieder ungewohnt leicht in Sandos Hand. Er klappte es zu und wischte das Bildnis der Madonna sorgfältig ab. Keine Spur des Dämons sollte mehr daran sein, wenn er das Kleinod Maria wiedergab.
Maria! Sein Blick ging zum Saaleingang. Noch immer war sie nicht aufgetaucht.
Vielleicht sollte ich doch nach ihr suchen , dachte er unruhig, als Vitelli ihn und Ben um ein Foto bat. Er wollte sie gemeinsam mit Gregor aufnehmen.
„Auch ihr gehört zu der Geschichte“, sagte der Moderator entschuldigend. „Ich kann es euch nicht ersparen.“
Als sie sich schweren Herzens in die gewünschte Positur begaben, bemerkte Sando ein großes geschwungenes M auf Vitellis Fototasche. Dieses Zeichen kannte er.
„Die Ausrüstung gehört Massef“, sagte er erstaunt.
Zum
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