Kathedrale
müssen. Und das gäbe ihr den Rest.
So weit würde er es nicht kommen lassen. Lieber wollte er verdammt sein, als dass er ihr, die bereits so viel verloren hatte, noch mehr nahm – es sei denn, die Sicherheit des Schiffes und seiner Besatzung hing davon ab. Was Ezri jetzt brauchte, war das Gefühl, nützlich und beschäftigt zu sein.
»Lieutenant D…« Er hielt inne und verfluchte sich für seinen Fehler. Dann, nahezu entschuldigend leise, begann er erneut. »Ezri, bitte bringen Sie das fremde Objekt auf den Schirm.«
Aber es war zu spät. Seine unbedachten Worte ließen Ezri stumm zusammenzucken, als sie die Konsole bediente.
Auf dem Monitor vor Vaughn erschien die Kathedrale, die langsam durch die Dimensionen rollte. Diesmal wurde das Bild jedoch von Ton begleitet. Eine Reihe seltsamer, schriller, irgendwie knirschend klingender Geräusche drang aus den Lautsprechern. Ganze Melodien, himmlisch und leiernd, schroff und stufig, hallten von den Brückenwänden wider.
Die Musik war nicht gerade nach Vaughns Geschmack, aber sie war auch nicht unangenehm.
Lächelnd sah er zu Ezri. »Musik der Sphären, Lieutenant?«
»Verzeihung, Captain. Dies fiel uns bereits auf, als wir mit der Sagan die Oort-Wolke beobachteten. Sie stammt von den Subraumvibrationen der dem Objekt nahen Eiskörper. Wir ließen uns die Vibrationen als Klang darstellen, und ich muss versehentlich unsere Tonaufnahme aufgerufen haben. Ich schalte sie sofort ab.«
Vaughn hob abwehrend die Hand. »Nein. Lassen Sie sie laufen.«
Seufzend ließ er sich zurück auf seinen Sessel fallen und beobachtete das sich um die eigene Achse drehende Mysterium vor seinen Augen. Obwohl er es nicht begründen konnte, war er sich sicherer denn je, dass in ihm die einzige Chance lag, rückgängig zu machen, was immer Ezri, Bashir und Nog widerfahren war. Die Antwort war da, verborgen, rätselhaft. Vielleicht sogar völlig unverständlich, wie die Gedanken eines Gottes. Dieses Ding dort jenseits der Nyazen-Blockade … Es lockte ihn, so nah und doch so fern.
Ob diese unheimliche Himmelsmusik ihm die Inspiration brachte, das Geheimnis des Objektes zu ergründen? Oder erklang sie nur, um ihn in seiner Hilflosigkeit zu verhöhnen?
Schweigend verließ Ezri die Brücke. Sie war erleichtert, die so vertraute und doch fremd wirkende Umgebung hinter sich zu lassen. Inmitten der kompetenten Brückenbesatzung hatte sie sich so unnütz und fehl am Platz gefühlt als wäre sie frisch von der Akademie gekommen.
Wenigstens habe ich nicht vor Commander Vaughn die Fassung verloren , dachte sie, dankbar für diese kleine Gnade. Doch es hatte nicht viel gefehlt. Sie wollte gar nicht wissen, was geschehen würde, wenn sie abermals jemand versehentlich mit »Lieutenant Dax« ansprach. Vielleicht sollte sie einfach alle bitten, sie Ezri zu nennen.
Andererseits fiele dann ihr Rang unter den Tisch, von ihrer Stellung als Erster Offizier der Defiant ganz zu schweigen. Also Lieutenant Tigan.
Nein. Ich war Lieutenant Dax . Und ich bin nicht länger Dax. Von daher sollte ich wohl eher zum Ensign zurückgestuft werden.
Ensign Ezri Tigan, wie auf der U.S.S. Destiny . Ein stellvertretender Schiffscounselor, dem noch drei Monate bis zum Ausbildungsende fehlten, und der von schrecklichen Erinnerungen gequält wurde. Nein, korrigierte sie sich, nicht von Erinnerungen. Von Erinnerungen an Erinnerungen. Ezri Tigan – abzüglich der acht illustren Leben voller Erfahrungen, die sie schließlich und endlich in ihr eigenes Selbst integriert hatte. Nach über einem Jahr der quälenden Anstrengungen.
Wenigstens sind damit auch Jorans Erinnerungen fort , sagte sie sich. Und Verads. Diese zwei Mörder werden mich nie wieder belasten.
Doch sie wusste, wie die Kehrseite der Medaille aussah. Sie hatte auch Jadzias Schwung und Neugierde verloren, Lelas, Audrids und Curzons pragmatische Weisheit. Tobins und Torias’ Witz und wissenschaftliche Expertise. Emonys Ehrgeiz und Eifer. Und ihre ganz eigene Einheit : das Leben, das ihr aus denen der vorherigen Wirte erwachsen und die beruhigende Sammelexistenz, die der Kern ihres gesamten Selbst geworden war.
Ein ziemlich mieser Deal, wie Quark sagen würde.
Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, wie lange ihr noch blieb, bis Commander Vaughn befand, dass sie nicht länger den ihr zugeteilten Posten bekleiden konnte. Nie wieder würde sie für ihn geeignet sein. Nicht ohne Dax. Der Captain der Defiant brauchte einen Fels von einem Ersten Offizier, keinen
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