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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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der Platz der Märtyrer, wo viele alte Männer auf den Parkbänken saßen. Dort befand sich auch der bewußte Blumenstand. Lily sank auf die erste leere Bank.
    „Ich suche Wahad, den Touristenführer“, sagte ich zu dem mürrischen Blumenverkäufer. Er sah mich von oben bis unten an und hob nur stumm die Hand. Daraufhin kam ein kleiner, schmutziger Junge angerannt. Er war zerlumpt wie alle Straßenjungen hier. Zwischen seinen Lippen hing eine Zigarette.
    „Wahad, eine Touristin“, murmelte der Blumenverkäufer. Ich glaubte, nicht recht zu hören. „Du bist der Touristenführer?“ fragte ich. Der verwahrloste kleine Kerl konnte nicht viel älter als zehn sein, aber er sah alt und verlebt aus und war völlig verlaust. Er kratzte sich, benetzte die Finger und drückte die Zigarette aus. Dann steckte er sie sich hinter das Ohr.
„Fünfzig Dinar nehme ich mindestens für die Kasbah“, erklärte er, „für hundert zeige ich Ihnen die Stadt.“
„Ich möchte keine Tour“, sagte ich und zog ihn am Ärmel etwas zur Seite. „Ich suche Mrs. Renselaas - Minnie Renselaas, die Frau des verstorbenen holländischen Konsuls. Ein Freund hat mir gesagt -“
„Ich kenne sie“, sagte er und musterte mich mit zusammengekniffenen Augen.
"Wenn du mich zu ihr bringst, zahle ich dir - fünfzig Dinar, richtig?“ Ich kramte in meiner Tasche nach Geld.
„Niemand darf diese Dame besuchen, wenn sie es mir nicht sagt“, erwiderte er. „Haben Sie eine Einladung oder etwas Ähnliches?“
Eine Einladung? Ich kam mir reichlich albern vor, aber ich zog Nims Telegramm aus der Tasche und zeigte es ihm in der Hoffnung, ihn damit zu überlisten. Er betrachtete es lange, drehte und wendete es nach allen Seiten und sagte schließlich:
„Ich kann nicht lesen. Was steht da?“ Also mußte ich dem verlausten Jungen erklären, daß ein Freund mir ein verschlüsseltes Telegramm geschickt hatte. Ich sagte, entschlüsselt laute die Nachricht: Besuch Minnie, Fischer-Stiege, Krise.
„Mehr nicht?“ fragte er, als sei ein solches Gespräch für ihn etwas Alltägliches. „Steht da nicht noch ein Wort? Ein Geheimwort?“
„Casse-noix“, antwortete ich, „da steht noch Casse-noix.“
„Das ist nicht das richtige Wort“, erklärte er dezidiert, griff nach der Zigarette hinter dem Ohr und zündete sie wieder an.
Ich blickte hilfesuchend zu Lily auf der Parkbank.
Fieberhaft dachte ich an französische Titel der Werke von Tschaikowsky.
Sie hatten alle keine neun Buchstaben.
Wahad starrte wieder auf das Blatt Papier in seiner Hand.
„Ich kann Zahlen lesen“, sagte er plötzlich, „das da ist eine Telefonnummer.“ Er deutete auf die sechs Zahlen, die Nim für sein Kreuzworträtsel angegeben hatte. Phantastisch!
„Das ist ihre Telefonnummer!“ rief ich. „Wir können sie anrufen und fragen...“
„Nein“, sagte Wahad geheimnisvoll, „das ist nicht ihre Telefonnummer - es ist meine.“
„Deine!“ rief ich entgeistert. Lily und der Blumenverkäufer sahen uns beide fragend an. Lily stand auf und kam herüber. „Aber ist das nicht ein Beweis...“
„Das beweist nur, jemand weiß, daß ich Sie zu der Dame bringen kann“, erklärte er mir. „Aber das tu ich nur, wenn Sie das richtige Wort kennen.“
Dieser halsstarrige kleine Kerl! Ich verfluchte wieder einmal Nim und seine Kodierungen, aber plötzlich fiel es mir ein. Es gab eine Tschaikowsky-Oper mit neun Buchstaben! Lily trat gerade zu uns, als ich Wahad am Kragen packte.
„Pique Dame!“ flüsterte ich. „Pique Dame!“
Wahad verzog den Mund zu einem breiten Grinsen.
„Richtig“, sagte er, „die schwarze Dame.“ Er warf den Zigarettenstummel auf den Boden, trat ihn aus und bedeutete uns, ihm in die Kasbah zu folgen.
Wahad führte uns treppauf, treppab und durch Gassen und Gäßchen, die ich allein nie gefunden hätte. Lily trottete schnaufend und brummend hinter uns her. Ich erbarmte mich Cariocas und setzte ihn in meine Umhängetasche, damit er aufhörte zu winseln. Etwa nach einer halben Stunde Umherirrens in diesem Labyrinth erreichten wir eine Sackgasse. Die hohen Mauern der Häuser standen so eng, daß kein Licht von oben hereinfiel. Wahad wartete, bis Lily uns eingeholt hatte, und plötzlich lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Ich hatte das Gefühl, schon einmal hiergewesen zu sein. Ich erinnerte mich: im Traum in der Nacht bei Nim, als ich schweißgebadet aufgewacht war. Ich zitterte vor Angst. Ich drehte mich um und packte Wahad an den Schultern.
„Wohin führst

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