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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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Eile um eine Unterredung und ritt zu dem Mann hinaus, dessen Lebenswerk bald die Welt verändern sollte. Was er an diesem Tag zu mir sagte, änderte jedenfalls meine Zukunft - vielleicht wird es auch Ihre Zukunft ändern.“
David schwieg, während sich am nachtschwarzen Himmel die Chrysanthemenblüten des Feuerwerks entfalteten. Robespierre beschäftigte sich noch immer mit der Skizze und begann seine Geschichte...

DIE GESCHICHTE DES ANWALTS
    Dreißig Meilen von Paris entfernt lag in der Nähe von Ermenonville das Anwesen des Marquis de Girardin. Dort lebte Rousseau mit seiner Geliebten Thérèse Levasseur seit Mitte Mai des Jahres 1778 in einem Landhaus.
    Es war Juni — ein müder, warmer Tag. Es roch nach frisch gemähtem Gras und blühenden Rosen, die an den Rändern des Rasens wuchsen, der das Château des Marquis umgab. Zu dem Anwesen gehörte ein See mit einer kleinen Insel, der Pappelinsel. Dort fand ich Rousseau. Er trug das offenbar für ihn übliche maurische Gewand: einen weiten roten Kaftan, ein grünes Tuch mit Fransen, rote marokkanische Schnabelschuhe und über der Schulter eine gelbe Ledertasche. Eine pelzbesetzte Mütze umrahmte das dunkle, ausdrucksvolle Gesicht. Dieser exotische und geheimnisvolle Mann schien losgelöst inmitten von Wasser und Bäumen zu leben, als lausche er auf eine innere Musik, die nur er hören konnte.
    Ich überquerte die kleine Brücke und begrüßte ihn zurückhaltend, denn es tat mir leid, ihn in seiner Versunkenheit zu stören. Ich konnte nicht ahnen, daß Rousseau über seine Begegnung mit der Ewigkeit nachdachte, die nur noch wenige Wochen vor ihm lag.
    „Ich habe Sie erwartet“, erklärte er als Begrüßung. „Wie ich höre, Monsieur Robespierre, sind Sie ein Mann, der die natürlichen Tugenden verkörpert, die ich preise. An der Schwelle des Todes ist es tröstlich zu wissen, daß die eigenen Überzeugungen zumindest von einem Mitmenschen geteilt werden!“
    Ich war damals zwanzig und ein großer Bewunderer Rousseaus. Dieser Mann hatte alle Höhen und Tiefen durchgemacht, war aus seinem Heimatland vertrieben worden und lebte trotz seines Ruhms und der Fülle seiner Gedanken von der Gunst anderer. Ich weiß nicht, was ich von dieser Begegnung erwartet hatte - vielleicht philosophische Einsichten, ein erhebendes Gespräch über Politik, einen romantischen Auszug aus der ‘ Nouvelle Héloïse ’. Aber Rousseau ahnte seinen Tod, und ihn schien etwas anderes zu bewegen.
    „In der letzten Woche ist Voltaire gestorben“, begann er, „unsere beiden Leben waren zusammengespannt wie die Pferde, von denen Platon spricht - das eine zieht zur Erde hinunter und das andere zum Himmel hinauf. Voltaire zog zur Vernunft, während mir die Natur am Herzen lag. Unsere beiden Philosophien werden dazu dienen, das Gespann von Kirche und Staat auseinanderzureißen.“
    „Ich dachte, Sie lehnen diesen Mann ab“, sagte ich verwirrt.
„Ich habe ihn gehaßt, und ich habe ihn geliebt. Ich bedaure, ihm nie begegnet zu sein. Aber das eine ist gewiß: Ich werde ihn nicht lange überleben. Die Tragödie besteht dann, daß Voltaire den Schlüssel zu einem Geheimnis besaß, das ich mein ganzes Leben lang zu enträtseln versuchte. Aber aufgrund seines eigensinnigen Festhaltens am Rationalen war ihm nicht bewußt, wie wertvoll seine Entdeckung war. Jetzt ist es zu spät. Er ist tot. Und mit ihm starb das Geheimnis von Montglane - das Geheimnis des Schachspiels.“
    Bei seinen Worten wuchs meine Erregung. Das Schachspiel Karls des Großen! War es möglich, daß sich hinter der Geschichte mehr als eine Legende verbarg? Ich hielt den Atem an und hoffte, Rousseau würde weitersprechen.
    Der alte Philosoph hatte sich auf einen umgestürzten Baumstamm gesetzt und suchte etwas in seinem marokkanischen Lederbeutel. Zu meiner Überraschung zog er eine kunstvolle Stickerei heraus und begann, mit einer winzigen Silbernadel daran zu arbeiten, während er sprach.
    „Als junger Mann“, erzählte er, „verdiente ich mir den Lebensunterhalt mit dem Verkauf meiner Spitzen und Stickereien, da sich niemand für die Opern interessierte, die ich schrieb, obwohl ich hoffte, einmal ein großer Komponist zu werden. Abend für Abend spielte ich mit Denis Diderot und André Philidor Schach, die beide ebenfalls so arm wie Kirchenmäuse waren. Diderot beschaffte mir schließlich eine gutbezahlte Stellung als Sekretär des Comte de Montaigu, des französischen Botschafters in Venedig. Das war im Frühling des Jahres

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