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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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Augen genommen, so daß ich die vielen Teile als Einheit sehen konnte. Dies war nicht nur ein Ritual, sondern vor unseren Augen fand eine Entwicklung statt. Jeder Halt der Prozession symbolisierte eine Stufe auf dem Weg der Verwandlung von einem Stadium zum nächsten. Es war wie eine Formel. Aber eine Formel wofür? Und dann wußte ich es.“
    Rousseau unterbrach seinen Bericht und holte aus dem gelben Lederbeutel eine abgegriffene Skizze. Er entfaltete sie bedächtig und reichte sie mir.

 

„Ich habe eine Skizze des ‚Langen Wegs’ gemacht und die sechzehn Stationen eingezeichnet. Die Zahl entspricht der der schwarzen und weißen Figuren im Schach. Wie Sie sehen, beschreibt der Weg eine Acht und erinnert damit an die ineinanderverschlungenen Schlangen auf dem Hermesstab. Oder an den achtfachen Weg, den Buddha beschreibt, um ins Nirwana zu gelangen. Oder an den achtstöckigen Turm von Babel, den man erstieg, um zu den Göttern zu gelangen. Oder an die Formel, die acht Mauren Karl dem Großen, verborgen im Montglane-Schachspiel, brachten...“
    „Eine Formel?“ fragte ich erstaunt.
„Von grenzenloser Macht“, erwiderte Rousseau. „Ihre Bedeutung ist vielleicht in Vergessenheit geraten, aber die Ausstrahlung ist so groß, daß wir nach ihr handeln, ohne zu verstehen, was sie bedeutet - wie Casanova und ich an jenem Tag vor fünfunddreißig Jahren in Venedig.“
„Dieses Ritual erscheint mir sehr schön und mysteriös“, stimmte ich zu, „aber weshalb bringen Sie es mit dem Montglane-Schachspiel in Verbindung - einem Schatz, von dem alle glauben, er sei nur eine Legende?“
„Begreifen Sie nicht?“ fragte Rousseau leicht gereizt. „Die Traditionen und die Labyrinthe, die Kulte, die Verehrung von Steinen auf den italienischen und griechischen Inseln entstammen alle einer Quelle.“
„Sie meinen Phönizien“, sagte ich.
„Ich meine die Dunkle Insel“, sagte er geheimnisvoll. „Die Araber nannten diese Insel AlDjezair, die Insel zwischen zwei Flüssen, die sich verbinden wie die Schlangen des Hermesstabs und eine Acht bilden. An diesen Flüssen steht die Wiege der Menschheit. Ich spreche von Euphrat und Tigris...“
„Sie meinen, dieses Ritual - diese Formel stammt aus Mesopotamien?“ rief ich.
„Ich habe mein Leben lang versucht, sie in die Hand zu bekommen“, sagte Rousseau, stand auf und legte mir die Hand auf den Arm. „Ich beauftragte Casanova, dann Boswell und schließlich Diderot, das Geheimnis zu enthüllen. Jetzt beauftrage ich Sie. Ich betraue Sie damit, das Geheimnis der Formel ausfindig zu machen, denn ich habe fünfunddreißig Jahre lang versucht, die Bedeutung hinter der Bedeutung zu verstehen. Es ist jetzt beinahe zu spät...“
„Aber Monsieur!“ sagte ich verwirrt. „Selbst wenn sie eine so mächtige Formel entdecken würden, was wollten sie damit tun? Sie haben doch über die einfachen Tugenden des Landlebens geschrieben - über die unschuldige und natürliche Gleichheit aller Menschen. Wie könnte Ihnen diese gefährliche Formel von Nutzen sein?“
„Ich bin der Feind der Könige!“ rief Rousseau verzweifelt. „Die Formel, die im MontglaneSchachspiel verborgen ist, wird das Ende der Könige herbeiführen - aller Könige - und für alle Zeiten! Ah, wenn ich doch nur lange genug leben würde, um sie in Händen zu haben.“
Ich wollte Rousseau noch viele Fragen stellen, aber er war bereits ganz blaß vor Erschöpfung, und auf seiner Stirn stand Schweiß. Er legte die Stickerei in den Lederbeutel zurück, als sei das Gespräch beendet. Er sah mich noch einmal an und schien dann in eine Sphäre zu entschwinden, in die ich ihm nicht folgen konnte.
„Es gab einmal einen großen König“, sagte er leise, „er war der mächtigste König auf Erden. Man sagte, er werde nie sterben. Er sei unsterblich. Man nannte ihn Al-Iksandr, den Gott mit zwei Hörnern. Goldmünzen trugen sein Bildnis mit den gewundenen Widderhörnern der Göttlichkeit auf der Stirn. Die Geschichte kennt ihn als Alexander den Großen, den Eroberer der Welt. Er starb im Alter von dreiunddreißig Jahren in Babylon, in Mesopotamien - auf der Suche nach der Formel. So würden sie alle sterben, aber zuerst müssen wir die Formel besitzen...“
„Ich stehe Ihnen zur Verfügung“, sagte ich und stützte ihn, während wir zu der kleinen Brücke gingen. „Wir können zusammen das Versteck des Montglane-Schachspiels ausfindig machen und die Bedeutung der Formel ergründen, wenn es dieses Schachspiel noch

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