Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
Erstürmung vor vier Jahren die Fackel der Revolution entzündet hatte. Mireille war am Tag der Bastille, am 14. Juli, in diese Zelle gebracht worden, nachdem sie Marat ermordet hatte.
Seit drei Tagen befand sie sich nun in diesem dunklen Loch. Man hatte sie nur zum Verhör und zu ihrem Prozeß an diesem Nachmittag herausgeholt. Es dauerte nicht lange, bis sie das Urteil gefällt hatten: Tod. In zwei Stunden würde man sie aus der Zelle führen, und sie würde nicht wieder zurückkehren.
Mireille saß auf der harten Pritsche und rührte ihre Henkersmahlzeit - trockenes Brot und einen Becher Wasser - nicht an. Sie dachte an Charlot, ihren Sohn, den sie in der Wüste zurückgelassen hatte. Sie würde ihn nie wiedersehen. Mireille fragte sich, wie die Guillotine wohl sein werde, was sie empfinden würde, wenn die Trommeln schlugen, als Signal für das fallende Beil. In zwei Stunden würde sie es wissen. Es würde das letzte sein, was ihr bevorstand. Sie dachte an Valentine.
Ihr Kopf schmerzte immer noch von dem Schlag in Marats Hausflur. Der Prozeß war noch brutaler als die Verhaftung gewesen. Der Ankläger hatte ihr vor dem Gericht das Mieder aufgerissen und die Papiere an sich genommen, die Charlotte ihr gegeben hatte. Jetzt glaubte alle Welt, sie sei Charlotte Corday - und wenn sie den Irrtum aufgeklärt hätte, wäre das Leben jeder Nonne von Montglane gefährdet. Wenn ich doch nur mein Wissen aus dem Gefängnis schmuggeln könnte, dachte sie verzweifelt. Sie müssen erfahren, was Marat mir gesagt hat.
Plötzlich hörte sie metallisches Klappern vor der Zelle; ein Riegel wurde zurückgeschoben. Die Tür ging auf, und als ihre Augen sich an das Licht gewöhnt hatten, sah sie zwei Männer vor sich. Der eine war ein Gefängniswärter, der andere trug eine Kniehose, seidene Strümpfe, Pumps, einen weiten mit Seide gefütterten Mantel und einen breitkrempigen Hut, der sein Gesicht fast völlig verdeckte. Der Gefängniswärter betrat die Zelle, und Mireille stand auf.
„Mademoiselle“, sagte der Gefängniswärter, „das Gericht schickt einen Porträtmaler. Er soll ein paar Bilder für die Akten machen. Der Mann sagt, Sie sind damit einverstanden -“
„Ja, ja!“ sagte Mireille schnell. „Führen Sie Ihn herein!“ Das ist meine Chance, dachte sie aufgeregt, wenn ich den Mann überreden kann, sein Leben aufs Spiel zu setzen, um meine Nachricht aus dem Gefängnis zu schmuggeln. Mireille wartete, bis der Wärter gegangen war, dann trat sie zu dem Maler, der gerade Palette, Farben und eine kleine, qualmende Petroleumlampe abstellte.
„Monsieur!“ flehte Mireille. „Geben Sie mir bitte ein Blatt Papier und etwas zu schreiben. Bevor ich sterbe, muß ich jemandem, dem ich vertrauf., eine Nachricht übermitteln. Die betreffende Person heißt wie ich Corday ...“
„Erkennst du mich nicht, Mireille?“ fragte der Maler leise. Mireille bekam große Augen, als er die Jacke auszog und dann den Hut abnahm.
Die roten Locken fielen über Charlotte Cordays Schultern. „Rasch, wir haben keine Zeit zu verlieren. Es gibt viel zu sagen und zu tun. Und wir müssen sofort die Kleider tauschen.“
„Ich begreife nicht - was hast du vor?“ fragte Mireille entsetzt.
„Ich bin in Davids Atelier gewesen“, erwiderte Charlotte und packte Mireille am Arm, „er hat sich mit diesem Teufel Robespierre verbündet. Ich habe sie belauscht. Waren sie schon hier?“
„Hier?“ fragte Mireille völlig verwirrt.
„Die beiden wissen, daß du Marat ermordet hast, und sie wissen noch mehr. Hinter allem steht eine Frau - man nennt sie die Dame aus Indien. Sie ist die weiße Dame, und sie ist nach London gereist...“
„London!“ rief Mireille. Das hatte Marat gemeint, als er rief: „Verspielt.“ - „Katharina die Große ist die weiße Dame! Die Frau, von der du sprichst, ist nur ihr Werkzeug, und sie soll Talleyrand die Figuren abnehmen. ..“
„Beeil dich“, drängte Charlotte, „zieh dich um. Ich habe die Sachen bei David gestohlen.“
„Bist du verrückt?“ rief Mireille. „Du kannst diese Nachricht zusammen mit meinen Informationen der Äbtissin überbringen. Du mußt Talleyrand warnen! Aber es ist keine Zeit mehr für Finten und Listen - es kommt nichts dabei heraus. Und ich habe viel zu sagen, bevor ich -“
„Bitte beeil dich“, unterbrach Charlotte. „Auch ich habe dir viel zu sagen und nur noch wenig Zeit. Hier, sieh dir diese Skizze an. Erinnert sie dich an etwas?“ Sie gab Mireille Robespierres Zeichnung und setzte
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