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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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setzten uns an den Tisch. Dann holte ich eine Figur nach der anderen heraus. Da standen sie nun glitzernd und funkelnd im Licht ihrer Edelsteine. Wieder ging der seltsame Glanz von ihnen aus, den ich auch in der Höhle bemerkt hatte. Wir betrachteten sie einen Augenblick schweigend - die vier Bauern, das große Kamel, das steigende Pferd, den prächtigen König und die unheimliche Dame. Solarin beugte sich vor, um sie zu berühren. Dann sah er Minnie an. Sie ergriff das Wort.
„Endlich“, begann sie, „nach all dieser Zeit werden sie mit den anderen vereint. Und das habe ich euch zu verdanken. Durch euer beherztes Handeln werdet ihr den Tod so vieler wiedergutmachen, die im Laufe der Jahre sinnlos das Leben gelassen haben ...“
„ Mit den anderen?“ fragte ich und sah sie erstaunt an.
„In Amerika“, sagte sie lächelnd. „Solarin wird euch heute nacht noch auf den Weg nach Marseille bringen, dort ist alles für den Rückflug vorbereitet.“ Kamel griff in seine Brusttasche, holte Lilys Paß hervor und gab ihn ihr. Sie nahm ihn entgegen, aber wir beide sahen Minnie fassungslos an.
„In Amerika?“ fragte ich. „Aber wer hat die anderen Figuren?’
„Mordecai“, erwiderte sie immer noch lächelnd, „er hat neun Figuren. Mit dem Tuch“, fügte sie hinzu und reichte mir das Kästchen, „werdet ihr mehr als die Hälfte der Formel haben. Und nach beinahe zweihundert Jahren sind damit zum ersten Mal wieder so viele Figuren des Montglane-Schachspiels vereint.“
„Was geschieht, wenn sie zusammen sind?“ fragte ich.
„Das dürfen Sie selbst herausfinden, Katherine“, sagte Minnie und sah mich ernst an. Dann blickte sie wieder auf die Figuren. „Jetzt sind Sie an der Reihe...“ Langsam drehte sie sich um und legte Solarin die Hände sanft auf das Gesicht.
„Mein geliebter Sascha“, sagte sie mir Tränen in den Augen, „paß gut auf dich auf, mein Kind. Beschütze sie...“ Sie drückte ihm die Lippen auf die Stirn. Zu meiner Überraschung umarmte Solarin sie und legte den Kopf an ihre Schulter. Wir alle sahen staunend, wie der junge Schachmeister und die elegante Mochfi Mochtar sich in den Armen lagen. Dann lösten sie sich voneinander. Sie ging zu Kamel und drückte ihm die Hand.
„Bring sie sicher zum Hafen“, flüsterte sie. Ohne ein Wort an mich oder Lily drehte sie sich um und verließ den Raum. Solarin und Kamel sahen ihr schweigend nach.
„Ihr müßt aufbrechen“, sagte Kamel schließlich zu Solarin. „Ich werde mich um sie kümmern. Allah sei mit dir, mein Freund.“ Er nahm die Figuren vom Tisch und legte sie zusammen mit dem Kästchen in meinen Stoffbeutel. Lily drückte Carioca an die Brust.
„Ich verstehe das nicht“, murmelte sie schwach, „soll das heißen, das war alles? Wir gehen? Aber wie kommen wir nach Marseille?“
„Euer Schiff liegt bereit“, sagte Kamel, „kommt, wir haben keine Zeit zu verlieren.“
„Aber was ist mit Minnie?“ fragte ich. „Werden wir sie wiedersehen?“
„Nicht so bald“, erwiderte Solarin schnell. Der Abschied fiel ihm schwer, das sah ich sehr wohl. „Wir müssen gehen, ehe der Sturm richtig losbricht. Wir müssen aufs Meer hinaus. Die Überfahrt ist ein Kinderspiel, wenn wir erst aus dem Hafen sind.“
Ich war noch völlig benommen, ais wir wieder durch die dunklen Gassen der Kasbah eilten.
Wir liefen durch enge, menschenleere Gänge zwischen den dichtgedrängten Häusern, und nach kurzer Zeit verriet mir der salzige Geruch, daß wir uns dem Hafen näherten. In der Nähe der Mosqueé de la Pêcherie verließen wir das Labyrinth. Hier hatte ich erst vor wenigen Tagen Wahad getroffen, aber es kam mir vor, als seien Monate vergangen. Sandwolken trieben über den Platz. Solarin nahm meinen Arm, und wir liefen weiter.
Wir eilten bereits die Fischerstiege hinunter, ais ich stehenblieb, Luft holte und Solarin fragte: „Minnie hat zu Ihnen gesagt: ‚Mein Kind’ - sie ist nicht zufällig auch Ihre Stiefmutter?“
„Nein“, erwiderte er leise und zog mich weiter. „Ich hoffe, ich werde sie vor meinem Tod noch einmal sehen. Sie ist meine Großmutter...“

VERMONT Mai 1796
    Talleyrand hinkte durch den Wald. Vereinzelte Sonnenstrahlen fielen durch das dichte Laub, in denen goldene Staubpartikel tanzten. Hellgrüne Kolibris schwirrten hierhin und dahin, schwebten in der Luft, um den Nektar der leuchtenden Blüten einer Klettertrompete zu sammeln, die wie ein Schleier über einer alten Eiche hing.
    Über zwei Jahre war er nun schon in Amerika,

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