Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
Solarin bückte auf mich hinunter. Er beugte sich über mich, und seine Lippen glitten über meine Haut wie Wasser. Seine Hände zogen mir die nassen Kleider vom Leib. Sein Körper verschmolz mit mir. Ich umklammerte seine Schultern, als mich seine Leidenschaft erfaßte.
Unsere Körper bewegten sich so ungestüm und ungebändigt wie die Welten unter uns. Ich glaubte zu fallen, zu fallen und hörte Solarin leise stöhnen. Seine Zähne gruben sich in mein Fleisch. Sein Körper versank in mir.
Solarin lag über mir. Eine Hand war in meinen Haaren verfangen. Von seinem nassen blonden Kopf tropfte Wasser auf meine Brust und rann mir bis zum Nabel. Wie merkwürdig, dachte ich, als ich meine Hand auf seinen Kopf legte, ich habe das Gefühl, ihn schon immer gekannt zu haben, obwohl ich ihn nur dreimal - nein viermal gesehen habe. Ich wußte nichts über Solarin, außer den Geschichten, die ich von Lily und Hermanold gehört hatte, und den wenigen, die Nim in seinen Schach-Zeitschriften über ihn gelesen hatte. Ich konnte mir nicht vorstellen, wo Solarin lebte, wie sein Leben aussah, welche Freunde er hatte. Ich hatte ihn nie danach gefragt, wie er seinen KGB-Wächtern entkommen war oder warum sie ihn nicht aus den Augen ließen. Ich wußte auch nicht, warum er seine Großmutter nur einmal als Kind und erst jetzt wieder gesehen hatte...
Plötzlich verstand ich, weshalb ich das Bild von ihm gemalt hatte, ohne ihn vorher zu sehen. Vielleicht war er mir unbewußt aufgefallen, als er mit dem Fahrrad mein Apartmenthaus umkreiste. Aber selbst das war nicht mehr wichtig.
Diese Dinge mußte ich nicht unbedingt wissen. Ich begriff intuitiv das Geheimnisvolle, die Maske, die kalte Überheblichkeit Solarins, denn ich sah seinen Kern. Und dort sah ich Leidenschaft und einen unstillbaren Durst nach Leben - den leidenschaftlichen Drang, die Wahrheit hinter dem Schleier zu entdecken, der alles umgab. Diese Leidenschaft war mir nicht fremd, denn es war auch meine eigene.
Das hatte Minnie erkannt, und deshalb wollte sie mich - sie wollte diese Leidenschaft benutzen und als treibende Kraft bei der Suche nach den Schachfiguren einsetzen. Deshalb hatte sie ihrem Enkel befohlen, mich zu beschützen, aber nicht abzulenken. Deshalb sollte er sich nicht mit mir einlassen. Als Solarin zur Seite rollte und seine Lippen meinen Bauch berührten, durchströmte ein köstlicher Schauer meinen Rücken. Ich berührte seine Haare. Sie hat sich geirrt, dachte ich, bei ihrem alchemistischen Gebräu zur Überwindung des Bösen hat sie eine Zutat vergessen - die Liebe.
Das Meer hatte sich beruhigt, und das Boot schaukelte sanft auf den schlammbraunen Wellen, als wir schließlich aufstanden. Der Himmel war weiß und sonnenlos. Wir suchten unsere nassen Kleider zusammen und zogen sie schwerfällig an. Wortlos wischte mir Solarin mit einem Fetzen seines ehemaligen Hemds das Blut ab, das an mir klebte. Er sah mich ernst mit seinen grünen Augen an und dann lächelte er.
„Ich habe eine sehr schlechte Nachricht“, sagte er und legte mir einen Arm um die Hüfte. Mit dem anderen deutete er über die dunklen Wellen. In der Ferne hoben sich über dem Wasser, wie eine Fata Morgana schimmernd, sonnige Umrisse ab. „Land in Sicht“, flüsterte er mir ins Ohr, „vor zwei Stunden hätte ich für diesen Anblick noch alles gegeben. Aber jetzt möchte ich fast, es wäre nur eine Illusion...“
Die Insel hieß Formentera. Es war die südlichste Insel der Balearen, und sie lag nahe der spanischen Ostküste. Das hieß, wir waren von dem Sturm etwa zweihundertfünfzig Kilometer nach Westen abgetrieben worden und befanden uns jetzt an einem Punkt, der gleichweit von Gibraltar und Marseille entfernt lag. Es war also völlig unmöglich, das wartende Flugzeug zu erreichen, selbst wenn das Boot noch seetüchtig gewesen wäre. Aber mit dem gesplitterten Großbaum, den zerfetzten Segeln und dem allgemeinen Durcheinander an Deck mußten wir zuerst eine gründliche Bestandsaufnahme der Schäden machen. Mit umfangreichen Reparaturen war zu rechnen. Solarin tuckerte mit Hilfe des Motors langsam zu einer abgelegenen Bucht, während ich hinunter in die Kabine stieg, um Lily zu wecken. Wir mußten uns einen neuen Plan ausdenken.
„Ich hätte nie geglaubt, daß ich einmal froh sein würde, die Nacht in einem Sarg voll Wasser verbracht zu haben“, stöhnte Lily, als sie an Deck kam. „Hier sieht es ja aus wie auf einem Schlachtfeld. Gott sei Dank war ich zu krank, um diese
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