Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
Vom Netzwerk:
mehr wie die eine, die beinahe unser Ende bedeutet hätte. Ein Geist aus der Flasche schien vom dunklen Meeresboden aufgestiegen zu sein, hatte seinem Zorn Luft gemacht und war dann wieder verschwunden - ich hoffte es inständig. Ich war am Ende meiner Kräfte - und staunte, daß ich noch lebte. Zitternd vor Angst und Kälte saß ich auf der Bank und sah Solarins Gesicht im Profil, der auf die Wellen starrte. Er wirkte so konzentriert wie damals in New York bei dem Schachspiel - wo es ebenfalls um Leben und Tod gegangen war.
„Ich bin ein Meister dieses Spiels“, hatte er einmal gesagt. „Und wer gewinnt?“ hatte ich ihn
gefragt. „Ich. Ich gewinne immer.“ Solarin hielt verbissen und stumm das Steuer. Stunden schienen zu vergehen, während ich kalt, gefühllos und ohne einen einzigen Gedanken neben ihm saß. Der Wind ließ nach, aber
die See war immer noch so aufgewühlt, daß ich mir vorkam wie in einer Achterbahn. Der Himmel über uns wurde langsam hell. Ein schmutziges Braun zeigte sich in der Ferne. Ich nahm mich zusammen und sagte schließlich: „Wenn im Augenblick Ruhe ist, sollte ich eigentlich runtergehen und nachsehen, ob Lily noch lebt.“
„Warte, du kannst gleich gehen.“ Er sah mich an. Die eine Gesichtshälfte war blutverschmiert. Wasser tropfte ihm aus den nassen Haaren auf Nase und Kinn. „Zuerst möchte ich mich bei dir bedanken. Du hast mir das Leben gerettet.“ 
„Ich glaube, du hast mein Leben gerettet“, erwiderte ich lächelnd und das vertraute Du tat mir so wohl wie eine weiche Decke, obwohl ich immer noch am ganzen Leib zitterte. „Ich hätte nicht gewußt, was ich tun muß...“
Solarin sah mich eindringlich an, ohne die Hände vom Steuerrad zu nehmen. Dann beugte er sich über mich - seine Lippen waren warm -, aber schon spritzte uns Gischt ins Gesicht, und die nächste Welle schlug uns mit ihren kalten, peitschenartigen Fingern. Solarin preßte sich wieder gegen das Steuer, dann zog er mich zu sich. Ein Schauer überlief mich wie ein Stromstoß, als er mich noch einmal küßte, diesmal länger und leidenschaftlicher. Schließlich hielt er inne und lächelte mich an.
„Wir werden bestimmt kentern, wenn ich damit nicht aufhöre“, flüsterte er an meinen Lippen. Dann zwang er sich, die Hände wieder um das Steuer zu legen. Er starrte mit gerunzelter Stirn auf die Wellen. „Geh jetzt hinunter“, sagte er langsam, als denke er über etwas nach. „Ich werde versuchen, etwas zu finden, um dir den Kopf zu verbinden“, sagte ich und ärgerte mich, weil mir die Stimme versagte. Das Meer kochte noch immer, um uns herum sah ich nur Wasserwände. Aber damit ließ sich nicht erklären, was ich empfand, als ich auf seine
nassen Haare blickte und auf das zerrissene Hemd, das an dem schlanken, muskulösen Körper klebte. Ich zitterte immer noch, als ich die Treppe hinunterstieg. Natürlich hat er mich aus Dankbarkeit umarmt, dachte ich - mehr nicht! Aber warum dann das merkwürdige Gefühl im Magen? Warum sah ich seine strahlenden grünen Augen noch immer vor mir, die mich zu verschlingen schienen, kurz bevor er mich geküßt hatte?
Ich tastete mich vorsichtig in die Kabine. Durch das Bullauge drang nur schwaches Licht. Die Hängematte war von der Wand gerissen. Lily saß in der Ecke und hielt den winselnden Carioca im Schoß. „Alles in Ordnung?“ rief ich ihr zu. „Wir sterben“, stöhnte sie. „Mein Gott, nach allem, was wir geschafft haben, müssen wir
jetzt sterben. Diese blöden Schachfiguren!“
„Wo sind sie?“ fragte ich entsetzt, denn ich dachte wieder an meinen Traum. „Im Beutel“, antwortete sie und zog ihn aus dem Wasser, in dem sie saß. „Als das Boot plötzlich den Kopfsprung gemacht hat, sind sie durch die Kabine geflogen und haben mich getroffen! Die Hängematte fiel herunter. Ich habe überall blaue Flecken...“ Über ihr Gesicht liefen Tränen und schmutziges Wasser.
„Ich lege sie an einen sicheren Platz“, sagte ich, nahm den Stoffbeutel, schob ihn in den Schrank unter das Spülbecken und verriegelte die Schranktür. „Ich glaube, wir werden es schaffen. Der Sturm legt sich. Aber Solarin hat eine scheußliche Wunde am Kopf. Ich muß etwas finden, um ihn zu verbinden.“
„In der Toilette ist ein Verbandskasten“, antwortete sie kläglich und versuchte aufzustehen. „Mein Gott, ist mir schlecht.“
„Leg dich wieder hin“, riet ich ihr, „vielleicht ist das obere Bett nicht ganz so naß wie der Rest.

Weitere Kostenlose Bücher