Katie Chandler 02 - Alles ausser Hex-ok-neu
dass es diese Seite von New York auch gab.
Ich hielt meine Eltern beide fest, um sicherzustellen, dass wir uns in dem Touristengedränge nicht aus den Augen verloren, während sie die hellen Lichter und blinkenden Leuchtreklamen bestaunten.
»Was das wohl alles kostet?«, fragte mein Vater missbilligend. »Das ist doch die reinste Verschwendung.«
»Sieh dir das an!«, stieß Mom hervor. »Unglaublich!«
Ich wies sie auf das Gebäude mit dem gläsernen Studio hin, aus dem das Frühstücksfernsehen gesendet wurde, zeigte auf die berühmte Anwerbungsstelle der Armee und auf einige der Theater. »Viele der Broadway-Bühnen befinden sich allerdings in Seitenstraßen«, erklärte ich.
»Ist das dann also der Broadway?«, fragte Mom mit ehrfürchtig geweiteten Augen.
»Ja, das hier ist der Broadway. Aufregend, nicht?«
»Und sieh dir all diese Leute an. Hey, der Mann da hat ja gar nichts an!«
Ich drehte mich um und sah den Typen, der dafür bekannt war, nur mit Unterwäsche und Stiefeln bekleidet Gitarre zu spielen. »Ach, der. Das ist ein Straßenkünstler.«
»Der holt sich ja den Tod! Es ist doch kalt hier.«
Ich hielt sie am Arm fest, damit sie nicht losgehen und ihn ermahnen konnte, sich was anzuziehen, damit er keine Lungenentzündung bekam.
Mein Dad starrte woandershin. »Jetzt seht euch den da mal an«, sagte er glucksend. »Der Junge sieht doch aus, als wäre er mit dem Gesicht voran in einen Kasten mit Angelhaken gefallen.«
Ich folgte seinem Blick und sah einen Teenager mit lauter Piercings im Gesicht, der auf eine Trommel einschlug. »Starr ihn nicht so an«, zischte ich meinen Vater an und hielt ihn am Arm fest.
Als ich noch nicht wusste, dass es Magie gab, und auf den New Yorker Straßen sogar noch viel seltsamere Dinge gesehen hatte, die außer mir niemand zu bemerken schien, hatte ich immer Angst gehabt, genauso auszusehen – wie ein hinterwäldlerischer Tourist. »Das hier ist wahrscheinlich die verrückteste Ecke von ganz New York«, beeilte ich mich zu sagen. »Der Rest der Stadt ist ganz anders.« Natürlich gab es sogar noch viel verrücktere Orte in New York, jedenfalls soweit ich gehört hatte, aber dort setzten Touristen normalerweise keinen Fuß hin, und ich hatte auch nicht vor, meinen Eltern von diesen Ecken zu erzählen.
Mom blieb abrupt stehen und hielt Dad und mich fest. »Die ist ja gut!«, rief sie. Sie löste ihre Handtasche aus ihrem Würgegriff und öffnete sie. »Ich möchte ihr einen Dollar geben.«
Als ich mich umwandte, sah ich eine Fee über dem Gehsteig schweben. Sie war keine Straßenkünstlerin.
Sie war einfach eine echte Fee, die ihren Geschäften nachging. Meine Übelkeit meldete sich mit aller Macht zurück. Meine Mutter konnte die Fee sehen.
Es wäre schön gewesen, wenn diese Fee eine Bekannte von mir gewesen wäre, jemand, den ich auf meine Seite hätte ziehen können. Doch leider war ich ihr noch nie begegnet. Und bevor ich reagieren konnte, versuchte Mom auch schon, ihr einen Dollar zuzustecken. »Ich weiß zwar nicht, wie Sie das machen, aber es beeindruckt mich«, sagte sie. »Schönes Kostüm übrigens.«
Die Fee sah sie an, als wäre sie nicht ganz dicht.
»Was fällt Ihnen …«, begann sie.
»Mom!«, ging ich dazwischen und zog sie weg, während ich fieberhaft darüber nachdachte, wie ich den Schaden möglichst gering halten konnte. Wenn sie ebenfalls gegen Magie immun war, machte das die Dinge unendlich viel komplizierter. Unwillkürlich begann ich damit, die Umgebung nach anderen magischen Wesen abzusuchen, für die ich ihr eventuell eine Erklärung hätte liefern müssen. Aber am Times Square wimmelte es derart von verrückten Erscheinungen, dass es unmöglich war, dazwischen genau die Kuriositäten auszumachen, die auf Zauber basierten.
»Kathleen Elizabeth Chandler, ich hab dich nicht dazu erzogen, so unhöflich zu sein!«, protestierte Mom.
»Mom!«, zischte ich. »Sei still und hör mir zu.
Das war keine Straßenkünstlerin. Ich glaube, du hast sie beleidigt.« Ich warf einen Blick über die Schulter, um nachzuschauen, ob uns vielleicht eine wutschnaubende Fee auf den Fersen war, doch ich sah sie nicht. Als ich mich gerade wieder zu meiner Mutter umdrehen wollte, erspähte ich jedoch etwas im Augenwinkel. Ich schaute mich erneut um und erblickte die Fee. Sie war von einer schimmernden Aura umgeben, die sie ganz verschwommen aussehen ließ. Ich schob meine Eltern in den nächsten Hauseingang, da ich nicht ausschließen konnte, dass
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