Katie Chandler 02 - Alles ausser Hex-ok-neu
sie uns verzaubern wollte, um ihr Mütchen zu kühlen. Mir konnte sie nichts anhaben, und Mom offenbar auch nicht, aber bei Dad war ich mir nicht so sicher. Was, wenn sie zu Idris’ Leuten gehörte? Oder schlimmer noch: Was, wenn sie uns mit Absicht nachgelaufen war?
Der Hauseingang führte in ein Souvenirgeschäft.
»Seht mal! Da gibt’s Postkarten! Ihr wolltet doch sicher welche an die Lieben daheim schicken, oder?«, rief ich mit falscher Begeisterung. Der riesige Kartenständer würde meine Eltern gut und gern fünf Minuten ablenken, in denen sie darüber streiten würden, welche sie kaufen sollten und welches Panorama das schönere war.
Das gab mir ein wenig Zeit, um die Lage zu checken und mir zu überlegen, was nun zu tun war. Ich trat wieder hinaus und ließ meine Blicke umherschweifen. Wie’s aussah, verfolgte uns die Fee nicht, also war meine Angst, sie könnte für Idris arbeiten, vielleicht reine Paranoia gewesen. Trotzdem hätte ich mich entschieden besser gefühlt, wenn einer meiner Bodyguards von MMI in Sichtweite gewesen wäre.
Doch da war niemand, der mir bekannt vorkam, weder Mensch noch magisches Wesen. Immer wenn man einen Gargoyle brauchte, war keiner da.
Das führte mich zum nächsten Problem: Was sollte ich mit Mom tun? Mein erster Impuls war, im Büro anzurufen und dort um Rat zu fragen. Rod kannte sich bestens mit Immunen aus. Er würde wissen, was nun zu tun war. Doch dann wurde mir klar, dass das vielleicht doch keine so gute Idee war. MMI suchte ständig händeringend nach Immunen, da die Firma sie zum Schutz vor anderen magischen Wesen brauchte, die ihre Kräfte zu betrügerischen Zwecken einsetzten. Und die Anzahl der Immunen schwand immer weiter. Ich durfte nicht riskieren, dass sie versuchten, meine Mutter anzuwerben. Hätte sie erfahren, wo ich da hineingeraten war, hätte sie mich, magische Immunität hin oder her, sofort nach Hause beordert. Nein, wir würden diese gemeinsamen Tage durchstehen, und dann würde ich sie in einen Flieger nach Texas setzen, wo sie glücklich und zufrieden ihr nichtmagisches Leben weiterführen konnte. Es musste mir nur gelingen, das Geheimnis über die nächsten Tage zu retten. Glücklicherweise hatte meine Mutter ja ohnehin die vorgefasste Meinung, New York wäre eine total durchgedrehte Stadt. Ich selbst hatte erst nach einem Jahr an diesem Ort die Wahrheit herausgefunden. Also musste es doch wohl möglich sein, meine Mutter über die nächsten paar Tage zu bringen.
Ich zählte bis zehn, dann kehrte ich zurück in den Laden, wo meine Eltern sich immer noch über die Postkarten stritten. »Diese Nachtansicht hier ist schön«, sagte Mom gerade.
»Aber da sieht man doch nur die Lichter drauf«, wandte Dad ein. »Der Sonnenuntergang ist schöner.«
»Kauft doch beide«, schlug ich vor. Als sie sich zu mir umdrehten, wurde mir klar, dass ihnen meine Abwesenheit gar nicht aufgefallen war. Schließlich einigten sie sich auf zehn Karten, und ich schob sie zur Kasse, bevor sie anfangen konnten zu debattieren, wem sie welche Ansicht schicken würden.
Als wir wieder draußen auf der Straße standen, fragte meine Mutter: »Und was hatte das vorhin zu bedeuten?«
Dad seufzte schwer. »Du hast versucht, irgendeinem Mädchen auf der Straße einen Dollar zu schenken, Lois. Ich weiß ja, dass sie komisch aussah, aber wenn du anfangen wolltest, jedem einen Dollar zu geben, der hier irgendwie komisch aussieht, dann hättest du sehr schnell keinen Penny mehr.« Er steckte seine Hände in die Taschen und ging voraus, als schämte er sich, mit uns in der Öffentlichkeit gesehen zu werden. Ich konnte es ihm ganz und gar nicht verübeln. Am liebsten hätte ich mich ihm sogar angeschlossen.
»Das war keine Straßenkünstlerin, Mom«, wiederholte ich.
»Aber Katie, sie hatte doch Flügel an! Wer trägt denn Flügel, wenn nicht mal Halloween ist? Und ich hätte schwören können, dass sie in der Luft schwebte.«
Ich zermarterte mir das Hirn auf der Suche nach einer plausibel klingenden Erklärung, und plötzlich fiel mir etwas ein, das sie unmöglich anzweifeln konnte: »In dieser Stadt existieren alle möglichen alternativen Lebensstile nebeneinander, Mom. Hier geht man einfach ziemlich offen mit so was um.
Aber mehr möchtest du darüber ganz bestimmt nicht wissen, okay?«
Sie sah mich erstaunt an und runzelte die Stirn, als versuchte sie, sich darauf einen Reim zu machen.
Schließlich schüttelte sie den Kopf, als würde ihr das helfen, klarzusehen.
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