Katrin mit der großen Klappe
Schmirgelpapier geben und rieb und scheuerte hingegeben, so daß ihr
ausnahmsweise die Zeit bis zum Mittagessen nicht lang wurde.
Frau Bär, die Köchin, und
Anette, das Hausmädchen, durften sich stets erst dann zu Tisch setzen, wenn
Weikerts ihre Mahlzeit beendet hatten, und da Katrin sozusagen als Anhängsel
des Personals galt, mußte auch sie warten, bis die Großmutter die Überreste von
Weikerts Essen aufwärmte.
Hätte man Katrin gefragt, so
hätte sie bestimmt behauptet, daß ihr das nicht das geringste ausmachte, und
das wäre nicht einmal eine Lüge gewesen, denn Katrin wußte selber nicht, wie
demütigend sie es fand, immer nur das zu essen zu bekommen, was die
Herrschaften übrig ließen.
Tatsächlich wurden die drei in
der Küche auch immer satt, denn wo ein Eisschrank und eine gut gefüllte
Vorratskammer in der Nähe sind, kann es keinen Hunger geben. Aber obwohl Katrin
es mit ihrem Verstand nicht begriff, so war es eben dieses Gefühl der
Demütigung, das ihr jedesmal auf den Magen schlug. So viel Appetit sie eben
noch gehabt haben mochte — sobald die Schüsseln auf dem Küchentisch aufgetragen
wurden, mußte sie sich geradezu zum Essen zwingen. Daher kam es auch, daß sie
mager wie ein Zaunpfahl war, wie ihre Großmutter stets zu sagen pflegte, dabei
war sie aber alles andere als zerbrechlich, sondern ausgesprochen zäh.
Auch heute wieder stocherte sie
lustlos auf ihrem Teller herum und war froh, als sie endlich aufstehen konnte.
„Ich laufe gleich zum Eisplatz, ja, Omi?“ rief sie. „Ich muß doch meine
Schlittschuhe ausprobieren.“
„Hast du denn gar keine
Hausarbeiten auf?“
„Doch. Schon. Aber die mache
ich später.“ Als die Großmutter ein bedenkliches Gesicht machte, fügte sie
rasch hinzu: „Ganz bestimmt!“
Sie schnappte sich die
Schlittschuhstiefel — ihrer Schulmappe, die sie gleich nach ihrer Heimkehr
achtlos in die Ecke geworfen hatte, schenkte sie keinen Blick mehr — ,
schlüpfte in ihren Anorak und machte sich auf und davon.
Erst als sie auf der Straße
stand, nahm sie sich die Zeit, die Bänder der Schlittschuhstiefel
aneinanderzuknüpfen, so daß sie sie über der Schulter tragen konnte.
Die Eisbahn im Stadtwaldstadion
war inzwischen eröffnet worden, und sie hatte es sehr eilig, hinzukommen. Die
Freundinnen hatten sich für halb vier Uhr dort verabredet, aber sie rechneten
natürlich nicht damit, daß Katrin zu ihnen stoßen würde.
Katrin grinste in sich hinein,
als sie daran dachte, was für eine tolle Überraschung es sein würde, wenn sie
schon vorher dort war - sie sah sich geradezu lässig in großen Bögen über die
spiegelglatte Fläche sausen.
Daß sie tatsächlich noch nie
auf Schlittschuhen gestanden hatte, machte ihr nichts aus. Sie war früher, als
ihr Vater noch lebte, viel auf einer ruhigen Ecke des Werksgeländes Rollschuh
gelaufen, und sie war sicher, daß das zumindest eine gute Grundlage sein würde.
Die Wirklichkeit sah dann doch
ganz anders aus. Die Eisfläche war nicht spiegelglatt, sondern schon reichlich
zerschrammt, und es wimmelte nur so von Kindern, Jungen und Mädchen, daß an ein
elegantes Bogenlaufen gar nicht zu denken war. Das war freilich ein Glück für
Katrin, denn das Eislaufen war viel schwerer, als sie sich gedacht hatte. Es
dauerte eine gute halbe Stunde, bis sie sich an die schmalen Stahlkufen unter
den Füßen gewöhnt hatte und nicht mehr alle drei Schritte auf den Popo
purzelte.
Danach ging es besser. Sie
schaffte es schon, ganz flott geradeaus zu fahren, als die Freundinnen
eintrafen. Aber auch die Begegnung wurde sehr viel anders, als Katrin sie sich
vorgestellt hatte.
Silvy erschien als erste, und
es paßte so wenig in ihre Pläne, Katrin hier zu treffen, daß sie ihre
Enttäuschung nicht verbergen konnte. „Du, Katrin?!“ rief sie, durchaus nicht
erfreut.
„Wenn du nichts dagegen hast“,
gab Katrin in ihrem frechsten Ton zurück.
„Warum sollte ich denn?“ fragte
Silvy, einigermaßen in die Enge getrieben.
„Das weiß ich doch nicht!“
Katrin wandte sich ab und lief weiter; sie wollte nicht, daß Silvy ihr vom
Gesicht ablas, wie verletzt sie sich fühlte.
Bei Ruth hatte sie einen
größeren Erfolg. „Na so was!“ rief die Kleine. „Das finde ich aber prima, daß
du mal mitmachst! Ich dachte schon...“ Sie stockte mitten im Satz.
„Na, was denn?“
Ruth schluckte. „Daß du dir zu
gut für so was wärst!“
„Ach, woher denn“, sagte Katrin
gnädig.
„Kommt, laßt uns zu
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