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Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen

Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen

Titel: Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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Wahrnehmung nicht einfach vollkommen verzerrt war. Die Beklemmung, die er in den frühen Morgenstunden im Wald empfunden hatte, saß ihm noch immer tief in den Knochen. Und alles, was danach geschehen war, war an ihm abgeglitten wie Sprühregen von einem Autodach. Der Anblick des schmalen, bleichen Gesichts im Lichtkegel der Taschenlampe hatte sich in sein Gedächtnis eingebrannt. Er war zutiefst erleichtert gewesen, dass die Tote nicht Katrin Sandmann war, und er schämte sich fast dafür.
    Die Ärztin zögerte kurz, bevor sie auf Fischers Frage reagiert. Sie blickte Halverstett an, als sie schließlich antwortete:
    »Ich bin mir so sicher, wie man es sich in einem solchen Fall sein kann. Alles deutet auf einen Erfrierungstod hin. Jemand hat sie ziemlich heftig gewürgt, aber sie ist nicht erstickt. Und der Schlag auf den Hinterkopf hat sie vermutlich bewusstlos gemacht. Aber auch der war nicht tödlich. Wenn sie nicht nachher noch bewegt worden wäre, hätte ich gesagt, jemand hat sie zusammengeschlagen, einen Schreck bekommen, als sie sich nicht mehr rührte, und ist dann Hals über Kopf abgehauen. Aber so kann es nicht gewesen sein. Jemand hat sie extra dorthin gebracht.«
    »Brindi hat damals eins seiner Opfer im Grafenberger Wald ausgesetzt, als er es freiließ.« Fischer blickte in eine andere Richtung und sprach wie zu sich selbst. Er zog noch einmal an seiner Zigarette und warf sie dann in den Schnee, wo sie zischend verglühte. Maren Lahnstein blickte auf die Kippe, und zum ersten Mal glaubteHalverstett, so etwas wie Missbilligung in ihren Augen zu lesen. Aber er war sich nicht sicher. Vermutlich dachte sie einfach an den Fall, an die arme Frau, die drinnen im Institut lag und die jemand sterbend im Schnee zurückgelassen hatte.
    »Die Kopfwunde hat doch sicherlich ziemlich stark geblutet«, merkte er an.
    »Also müssten am eigentlichen Tatort jede Menge Blutspuren sein«, fiel Fischer ein. »Ein guter Gedanke.«
    »Ja«, brummte Halverstett, »wirklich phantastisch. Und wo sollten wir anfangen zu suchen?«
    Auch hier hatte Fischer sofort eine Idee parat. »Fangen Sie mit den Verrückten an, die vor dem Präsidium rumstehen. Hatte nicht einer von denen gedroht, dass sie Mario Brindi selbst suchen wollen? Vielleicht haben sie ihre Drohung in die Tat umgesetzt. Diese Frau hatte doch wahrscheinlich was mit seiner Flucht zu tun, so wie es im Augenblick aussieht. Das könnten die doch auch rausgefunden haben.«
    Halverstett stöhnte. Diese Idee war ihm selbst schon gekommen, aber ihm graute vor ihrer Umsetzung. Zeitweilig standen bis zu fünfzig Demonstranten vor dem Präsidium in der Kälte. Sie alle zu befragen bedeutete einen Heidenaufwand. Aber Fischer hatte recht. Die Vermutung, diese Leute könnten die Fahndung nach Brindiselbst in die Hand genommen haben, war nicht von der Hand zu weisen. Er wandte sich an die Gerichtsmedizinerin.
    »Halten Sie mich auf dem Laufenden. Ich bin dankbar für jeden Hinweis, der die Zahl der Verdächtigen wenigstens ein bisschen reduziert. Wir haben schließlich alle auch noch ein Privatleben.« Er warf einen Blick auf Fischer, auf dessen Lippen er den Anflug eines verlegenen Grinsens zu entdecken glaubte.
    Dann forderte der Staatsanwalt ihn auf: »Nehmen Sie sich jede Hilfe, die Sie brauchen. Ich möchte diese Sache so schnell wie möglich aufgeklärt haben. Ich bin nicht scharf darauf, dass der Fall Mario Brindi noch höhere Wellen schlägt.«
    Als Fischer mit seinem BMW um die Ecke verschwunden war, sagte die Ärztin: »Ein merkwürdiger Mann. Ich werde nicht schlau aus ihm.«
    Halverstett antwortete nicht.
    »Mir ist übrigens eben noch was aufgefallen«, fuhr sie fort. »Ich habe es bisher nicht erwähnt, da es vermutlich mit dem aktuellen Fall nichts zu tun hat. Es musste ja alles so schnell gehen.« Sie warf einen Blick in die Richtung, in die der Staatsanwalt kurz zuvor verschwunden war. »Sie hat ein paar auffällige ältere Narben. Vor allem am Unterleib. Möglicherweise Schnittverletzungen. Sehen nicht nach einem Unfall aus. Eher wie Spuren schwerer Misshandlung.«
    Bevor Halverstett in seinen Wagen stieg, blickte er noch einmal hoch zum Eingang des Instituts. Sie stand immer noch da, die Arme verschränkt und die Augen auf ihn gerichtet, und wieder hatte er das Gefühl, nicht ausgesprochene Worte zu hören, deren Bedeutung er nicht begriff oder lieber nicht begreifen wollte.

12
    Als Manfred den Geländewagen auf der Karolingerstraße parkte, dämmerte es bereits.

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