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Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen

Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen

Titel: Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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aufschreiben?«
    »Was für Namen?«
    »Von allen Personen, die wussten, dass Dagmar Ülzcin Kontakt zu Brindi hatte.«
    »Wozu soll das gut sein? Von denen hat ihr keiner was getan.«
    »Dann kann es ja auch nichts schaden, wenn Sie mir die Namen geben.«
    Kraus machte ein unwilliges Geräusch, doch er beugte sich vor und griff nach dem Stift. Er sah Halverstett an. »Sie suchen an der falschen Stelle. Wir sind keine Mörder. Im Gegenteil. Wir wollen ja gerade, dass diese Kerle für immer weggesperrt werden. An solchen Schweinen machen wir uns nicht die Finger schmutzig.«
    »Es geht hier aber gar nicht um ›diese Kerle‹, wie Sie sie nennen. Eine junge Frau wurde getötet, eine Journalistin. Sie hatte niemandem etwas getan.«
    »Sie hat sich in den Sumpf ziehen lassen, von diesem Brindi .«
    »Wie bitte?«
    »Sie wissen schon, was ich meine. Nennt man so was nicht Beihilfe?« Er beugte sich über das Blatt und fing an zu schreiben. Halverstett zog es vor, auf die letzte Bemerkung vorerst nicht näher einzugehen. Der Tag war schon schlimm genug gewesen. Er hatte nicht vor, sich auch noch provozieren zu lassen.

    ***

    Sie war allein. Mitten im Wald. Hohe Tannen säumten den Weg. Es war stockdunkel. Zweige knackten und im Gebüsch raschelte etwas. Erschrocken fuhr sie herum. Aber es war nichts zu sehen – nichts als die träge, schwere Dunkelheit und die schemenhaften Konturen der Bäume, die hoch über ihr aufragten.
    Plötzlich brach der Mond hinter den Wolken hervor und warf silbriges Licht auf die Erde. Angstvoll sah sie sich um. Sie wusste nicht genau, wovor sie sich fürchtete, sie wusste nur, dass sie auf der Flucht war, dass sie nicht stehenbleiben durfte, sondern losrennen musste, so schnell es ging. Sie fror, sie zitterte erbärmlich. Sie sah an sich herunter und entdeckte, dass sie nichts als ein dünnes, weißes Hemd am Leib trug. Jetzt spürte sie auch die spitzen Tannennadeln unter ihren bloßen, blau gefrorenen Füßen. Panik ergriff sie. Sie rannte los, stürmte von dem Weg hinunter mitten in den dichten Wald hinein, stolperte über eine Wurzel, rappelte sich wieder auf und lief weiter. Dürre Zweige peitschten ihr ins Gesicht und gegen ihre nackten Arme. Jeder Atemzug brannte in ihrer Kehle, aber sie lief weiter; sie wusste, dass alles vorbei sein würde, wenn sie stehen blieb.
    Plötzlich sah sie ein Licht. Etwas Helles loderte und flackerte vor ihr in der Dunkelheit. Obwohl sie nicht wusste, ob dort vorne eine neue Gefahr auf sie lauerte oder ob das Licht ihre Rettung war, kämpfte sie sich entschlossen durch das Unterholz, bis sie sehen konnte, dass der Wald vor ihr in Flammen stand. Eine angenehme, wohlige Wärme ging von dem Feuer aus und zog sie magisch an. Wenn sie noch ein bisschen näher ging, würde sie nicht mehr frieren; dann würde ihr warm sein, endlich warm.
    Katrin riss den Kopf hoch. Obwohl sie schweißgebadet war, zitterte sie vor Kälte. Sie lag immer noch auf dem eisigen Betonboden. Draußen schien es inzwischen wieder dunkel zu sein. Vermutlich waren Stunden vergangen. Allmählich kehrte sie aus dem Traum in die Wirklichkeit zurück. Ihr wurde bewusst, dass sie erfrieren würde, wenn nicht bald jemand käme. Sie konnte sich zwar in die Decke einhüllen, und sie trug ja auch immer noch ihre dicke Winterjacke, Stiefel und Schal, aber es war wohl dennoch nur eine Frage der Zeit, bis ihr Körper soweit ausgekühlt war, dass er den aussichtslosen Kampf gegen den eisigen Tod aufgeben würde.
    Katrin musste plötzlich an das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern denken. Als Kind hatte diese Geschichte immer eine eigenartige Mischung aus Grauen und Faszination in ihr ausgelöst. Sie hatte eine Märchenschallplatte besessen, die sie manchmal im Wohnzimmer hörte. Sie machte es sich dann unter dem großen Couchtisch gemütlich, spielte mit den Fransen des dicken Teppichs und lauschte andächtig der warmen Stimme des Sprechers, der von dem armen, kleinen Mädchen erzählte, das in der Neujahrsnacht im Schnee erfror. Es war ein glückliches Sterben gewesen ohne Angst oder Qual; im Licht der Schwefelhölzer sah das Kind einen warmen Ofen, dann einen strahlenden Weihnachtsbaum und schließlich seine Großmutter, die es hochhob und mitnahm.
    Jemand hatte ihr erzählt, dass es stimmte, was in dem Märchen passierte, und dass Erfrieren tatsächlich ein schöner Tod sei, und das hatte sie getröstet.
    »Wenn ein Stern vom Himmel fällt, so steigt eine Seele zu Gott empor.«
    Das kleine

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