Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen
Mädchen hatte nicht gewusst, dass es sein eigener Stern war, der dort vom Himmel fiel. Katrin versuchte, sich aufzurichten. Ihre Arme und Beine waren steif und schmerzten, und ihr Gesicht brannte immer noch, dort, wo sie auf den Boden aufgeschlagen war. Sie sah in die Richtung, in der das vergitterte Fenster lag, doch sie erblickte nicht mehr als einen rechteckigen, grauen Schatten.
Sie würde nicht wissen, wann ihr Stern vom Himmel fiel.
13
Roberta kochte in der Küche Tee. Manfred saß im Wohnzimmer auf Katrins Schaukelstuhl, ihrem Lieblingsmöbelstück. Er wiegte sich sacht hin und her und fixierte Jeanette feindselig. Diese beachtete ihn nicht, sondern sprach aufgebracht in ihr Handy. Es war bereits das dritte Gespräch. Sie diskutierte aufgeregt mit jemandem, den sie Richie nannte und der offensichtlich darauf bestand, dass sie sofort nach Berlin zurückkehrte.
Als sie unvermittelt ins Telefon rief: »Meine Schwester ist gestern ermordet worden!«, ließ Roberta beinahe das Tablett fallen, mit dem sie gerade das Wohnzimmer betrat. Manfred sprang auf und half ihr, die Tassen, den Zucker und die Kanne auf dem Tisch abzustellen. Jeanette beendete ihr Gespräch und entschuldigte sich für die fortwährenden Störungen in einem Tonfall, der deutlich machte, dass sie es genoss, wichtig zu sein.
Sie blickte zu Manfred, der es sich erneut im Schaukelstuhl bequem gemacht hatte.
»Kannten Sie meine Schwester? Haben Sie sie in letzter Zeit gesehen? Wissen Sie, was sie mit dieser Katrin zu schaffen hatte?« Es waren keine Fragen, sondern die Aufforderung, die Fakten auf den Tisch zu legen.
»Was geht Sie das an?«, gab Manfred zurück, und sein Ton war nicht minder arrogant.
Doch dann fuhr er einlenkend fort: »Katrin ist meine Freundin. Sie ist verschwunden. Und Ihre Schwester hatte da Ihre Finger im Spiel. Das weiß ich.«
»Ach, und woher?« Jeanette legte den Kopf schief.
»Sie hat’s mir gesagt. Sozusagen. Sie hat diesem Mario Brindi, dem Mann, der aus dem Maßregelvollzug geflohen ist, zur Flucht verholfen.«
Jeanette riss überrascht die Augen auf. »Hat sie das? Und das hat sie ausgerechnet Ihnen erzählt? Wie kommt es, dass ich das nicht glaube? Wann soll das denn bitte gewesen sein?«
Manfred verschränkte die Arme. »Gestern Abend habe ich mit ihr gesprochen. Sie hat es nicht zugegeben, nicht richtig jedenfalls. Aber was sie gesagt hat, lässt keinen anderen Schluss zu.«
»Das heißt, Sie waren vielleicht der Letzte, der meine Schwester lebend gesehen hat.« Jeanette machte eine bedeutungsvolle Pause. »Wer sagt mir, dass Sie nicht ihr Mörder sind?« Sie fingerte ein Päckchen Zigaretten aus ihrer Handtasche.
»Wagen Sie nicht mal, auch nur daran zu denken«, fuhr Manfred sie scharf an. »Katrin hasst es, wenn man in ihrer Wohnung raucht.«
Jeanette zuckte die Schultern und packte die Zigaretten wieder weg. Dann knallte sie die Handtasche auf den Boden. »Sie können hier ruhig eine Show abziehen, wenn Sie wollen, das ist mir vollkommen egal. Ich bin den ganzen Tag von eitlen, arroganten Kerlen umgeben, die sich einbilden, Gott weiß wie wichtig zu sein. Das prallt total an mir ab. Ich will rausfinden, was meiner Schwester passiert ist, und ich werde das dumme Gefühl nicht los, dass Sie mehr wissen, als Sie sagen wollen!«
»Und ich will wissen, was mit meiner Freundin passiert ist! Ich schätze mal, da wissen
Sie
etwas drüber. Wie wär’s, wenn Sie damit rausrücken würden?«
Roberta hatte dem Wortgefecht zwischen Manfred und Jeanette bisher sprachlos gelauscht. Jetzt schaltete sie sich ein. »Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn wir alle erzählen würden, was wir wissen? Im Grunde wollen wir doch das Gleiche, oder? Dieser Kerl muss geschnappt werden, bevor er weiteres Unheil anrichtet.«
Keine Reaktion. Manfred starrte mit finsterer Miene auf den Boden und Jeanette fummelte an ihrem Handy herum, das schon wieder klingelte. Danach packte sie das Gerät erneut in die Handtasche und sah Roberta an. »Ich weiß nicht viel«, begann sie schließlich. »Dagmar hat mich angerufen und mir von der Sache mit diesemBrindi erzählt. Dass der Typ ausgebrochen ist, und dass sie ihn kannte. Sie hatte Angst, man würde ihr das anhängen. Deshalb bin ich hier. Sie reitet sich ständig in irgendwelche Schwierigkeiten, und dann muss ich – «
Sie brach ab. »Sie hat sich immer in Schwierigkeiten geritten, meine ich«, beendete sie den Satz dann leise. »Sie hatte irgendwie einen Hang dazu. Keine Ahnung
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