Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen
mit ihr zu reden, und dann haben sie sich über Brindi gestritten. Das war aber so gegen achtzehn Uhr. Danach ist sie noch mehrfach gesehen worden.«
»Nein, das meine ich auch nicht«, warf Rita ein. »Er muss später noch mal bei ihr zu Hause gewesen sein. Mehrere Anwohner haben seinen Wagen auf der Straße gesehen. So ein Landrover fällt eben auf. Und jemand hat auch gehört, wie er laut an ihre Wohnungstür geklopft und ihren Namen gerufen hat, ziemlich spät am Abend, so gegen zehn.«
***
»Sigrun Nasser.«
Sie klang sachlich, kurz angebunden, aber nicht unsympathisch. Manfred schätzte sie der Stimme nach auf etwa vierzig.
»Mein Name ist Manfred Kabritzky. Ich rufe aus Düsseldorf an. Danke, dass Sie sich ein paar Minuten Zeit für mich nehmen. Es ist wirklich wichtig.«
»Worum geht es denn?«
»Um einen Ihrer Patienten. Mario Brindi.«
»Also wenn Sie von der Presse sind oder von dieser Bürgerinitiative – «
»Nein, es ist etwas Privates. Bitte. Sie müssen mir helfen. Es ist wirklich wichtig.«
Die Frau am anderen Ende der Leitung schwieg abwartend und Manfred atmete erleichtert auf. »Meine Freundin ist entführt worden, und einiges an den Umständen ihres Verschwindens deutet darauf hin, dass Brindi dahinter steckt.«
»Ist es nicht Sache der Polizei, in dieser Angelegenheit zu ermitteln? Was wollen Sie von mir?«
»Nur ein paar Informationen. Das ist alles, was ich brauche. Ich kann nicht tatenlos zu Hause rumsitzen, während meine Freundin in Lebensgefahr ist. Das verstehen Sie doch sicherlich.«
»Ich kann Ihnen keine vertraulichen Daten über Patienten weitergeben. Das wissen
Sie
doch sicherlich.« Ihre Stimme klang unverändert nüchtern und sachlich. Doch Manfred hörte noch etwas anderes mitschwingen, eine mitfühlende Wärme, die vorher gefehlt hatte. Sie würde nicht einfach auflegen.
»Es geht nicht um Patientendaten«, erklärte er. »Es geht nur um seinen ersten Ausbruch im Oktober. Hat er mit Ihnen oder sonst jemandem später darüber gesprochen? Hat er gesagt, warum er ausgebrochen ist? Wo er war? Was er in den Stunden, in denen er draußen rumlief, getan hat? Wenn mein Verdacht stimmt, dann müsste er die Tat damals vorbereitet haben. Er muss ja ein Versteck ausgesucht und noch einige weitere Details organisiert haben.«
»Die gleichen Fragen hat mir die Polizei auch schon gestellt. Und an die sollten Sie sich auch wenden, wenn Sie mehr wissen wollen. Ich kann Ihnen nichts dazu sagen. Im Übrigen bin ich der Ansicht, Sie sollten auch die Suche nach Ihrer Freundin der Polizei überlassen. Finden Sie nicht?«
»Glauben Sie, das geht so einfach? Würden Sie das tun?« Es fiel ihm schwer, die Frau nicht wütend anzubrüllen. Das Einzige, was er jetzt wirklich nicht gebrauchen konnte, waren gute Ratschläge von Leuten, die nicht die geringste Ahnung hatten, wie es in ihm aussah.
»Ich kann Sie ja verstehen. Aber ich darf Ihnen wirklich nichts sagen.« Sie schwieg kurz. »Alles Wesentliche ist sowieso offiziell bekannt«, fuhr sie dann fort. »Lesen Sie die Zeitung, sehen Sie sich die Presseerklärungen an, dort erfahren Sie alles, was Sie wissen möchten.«
»Glauben Sie, dass er Katrin entführt haben könnte?«
»Was ich glaube, spielt keine Rolle. Und ich würde es Ihnen auch nicht sagen. Es tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen nicht helfen kann. Bitte überlassen Sie die Ermittlungen der Polizei.«
14
Es war nur noch eine Handvoll Demonstranten, die sich verfroren vor dem Parkplatz des Präsidiums auf dem Bürgersteig drängte. Nachdem am Tag zuvor bekannt geworden war, dass man im Grafenberger Wald die Leiche einer jungen Frau gefunden hatte und ausgerechnet sie nun dazu befragen wollte, waren die Emotionen kurzzeitig hochgekocht und es war zu einem Handgemenge zwischen den Demonstranten und ein paar Streifenbeamten gekommen. Bei der anschließenden Befragung auf dem Präsidium war jedoch nichts herausgekommen. Es gab keinen Hinweis darauf, dass jemand von ihnen etwas mit Dagmar Ülzcins Tod zu tun hatte.
Kriminalhauptkommissar Halverstett warf nur einen flüchtigen Blick auf die Gruppe und betrat dann hastig das Präsidium. In ihm nagte immer noch das beunruhigende Gefühl etwas zu übersehen. Sein Instinkt, der ihn nur selten trog, sagte ihm, dass diese Demonstranten doch etwas mit seinen Ermittlungen zu tun haben mussten, wenn auch vielleicht nicht unmittelbar. Aber er kam einfach nicht darauf, wie. Jedenfalls war das Häuflein auffällig geschrumpft. Der
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