KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
Zukunft werden nur noch die überdurchschnittlich Intelligenten im persönlichen Wettbewerb eine Chance haben, und die dürfen dann sogar hässlich sein, wenn sie wollen. Und der Rest? Der kann vielleicht strunzdumm sein, muss aber dafür wenigstens perfekt aussehen, und zwar so perfekt, wie es auf natürliche Art überhaupt nicht vorkommt. Aber es geht auch nicht um Natur, sondern um klar definierte Schönheitsideale. Wenn Sie mich fragen, möglichst alle zwei Jahre neue: die passende Nase zum neuen Auto? Der richtige Busen für die verschiedenen Jahreszeiten? Warum nicht! Stellen Sie sich eine Welt vor, in denen die Leute mit sich und ihrer Figur einfach zufrieden sind. Das bringt doch nichts! Nein, wir müssen die Menschen, die zahlungskräftigen meine ich natürlich, fit machen für den Wettlauf der Perfekten. Und wir müssen ihnen immer wieder klar machen, wie weit sie von dieser Perfektion entfernt sind. Und dass sie nur mit unserer Hilfe zu den Siegern gehören werden. Alle anderen sind doch sowieso nur Kanonenfutter.«
»Na ja, vom moralischen Standpunkt aus ist das aber ...«
»... Moral, Moral! Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, Herr Katz, aber Moral, ich bitte Sie! Das ist eine Petitesse für den Privatgebrauch. Sicher, sicher, zu Hause wollen wir alle gute Menschen sein, wollen nicht morden, nicht stehlen, nicht das Weib des Nächsten begehren ...«.
Warum er bei der letzten Bemerkung Sonia fixierte und mit den Augen lustvoll entkleidete, das wusste ich genauso gut wie er selbst. Nicht nur dafür hätte ich ihm am liebsten in die Eier getreten, einfach nur so, ganz ohne spezielles Schönheitsideal.
»... aber wenn wir dann ins feindliche Leben treten, dann ist Moral keine geschäftliche Kategorie. Damit können Sie vielleicht einen Bio-Bauernhof betreiben, nett, nett! Aber Moral, Anstand, Rücksichtnahme oder Verantwortungsbewusstsein sind kein Wettbewerbsvorteil mehr. Im Gegenteil! Das ist nun einmal einfach eine Tatsache, um die man nicht herumkommt. Ich will es ganz deutlich sagen: Nur Schwächlinge halten sich noch damit auf, den grassierenden Wahnsinn zu bedauern. Das ist albern und realitätsfremd. Wer am Erfolg teilhaben will, muss dafür sorgen, dass dieser Wahnsinn funktioniert. Und er funktioniert am besten, wenn er Methode hat. Wenn beispielsweise Leute, die selber nicht singen können, andere vor der gesamten Nation zur Sau machen, weil die armen Tröpfe nicht gut genug singen können. Genial! Oder wenn Leute, die aufs Genaueste auf ihre Gesundheit und Figur achten, dem Rest der Welt vorgaukeln, sie würden sich am liebsten von Fleischklopsen zwischen Pappdeckeln ernähren. Das ist es, Herr Katz! Wer das glaubt, der glaubt so ziemlich alles, was man ihm erzählt. Und das gilt natürlich ganz genauso für Schönheitsideale. Das ist unser Geschäft, ein Geschäft mit traumhaften Renditen übrigens. Und ist es nicht das, was am Ende zählt – gerade für Sie als Investor?«
»Um noch einmal auf Herrn Dr. Lappé zurückzukommen ...«, warf ich ein. Zum einen, weil ich von Neumayers euphorischer Menschenverachtung so langsam Kopfschmerzen bekam, zum anderen, weil ich ja schließlich hier war, um etwas über Jüjü und seine Pläne zu erfahren.
»Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Herr Katz, so ehrlich, wie Sie es als potenzieller Investor erwarten dürfen: Es ist uns leider nicht gelungen, Herrn Dr. Lappé von unserem neuen, dynamischen, expansiven Konzept zu überzeugen. Wir mussten deshalb eine andere Lösung anstreben.«
»Und welche, wenn ich fragen darf?«
»Nun, die genauen Konditionen hat ein Kollege von mir mit Herrn Dr. Lappé ausgehandelt. Lassen Sie mich sehen ...«. Franjo Neumayer griff wieder in seine Schreibtischschublade und holte einen Schnellhefter mit rotem Umschlag hervor. Er blätterte ein paar Mal in dem Dokument vor und zurück, bevor er fortfuhr: »Sie werden verstehen, mein lieber Herr Katz, dass ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt noch keine konkreten Daten und Zahlen liefern kann, solange die Verhandlungen nicht zum endgültigen Abschluss gebracht wurden. Andererseits haben Sie natürlich ein Recht darauf zu wissen, in welches Unternehmen und in welches Konzept Sie investieren werden. Deshalb kann ich Ihnen vielleicht so viel verraten: Herr Dr. Lappé wird der Leitung des Sanatoriums nach der Übernahme durch unser Unternehmen nicht mehr angehören, weder in der Geschäftsführung noch in ärztlicher Position. Aber das Sanatorium verfügt ja über ein versiertes
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