KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
Seite, bevor ich ein hübsches Porträt von ihr machte. Dabei bekam ich das Wesentliche schon Mal ganz gut mit: Jüjü ließ sich den Ausstieg aus seinem eigenen Unternehmen nicht schlecht entlohnen, wie ich fand. Als Kaufsumme bekam er 4,3 Millionen Euro auf ein Konto seiner Wahl. Wohin, das stand anscheinend noch nicht so ganz fest, ziemlich sicher war nur, dass es nicht die Kreissparkasse Bielefeld sein würde. Im Zuge des Verkaufs musste Jüjü sich verpflichten, drei Jahre lang kein neues Unternehmen dieser oder ähnlicher Art zu gründen oder zu betreiben, weder unter eigenem, noch unter fremdem Namen. Diese Verpflichtung wurde ihm zusätzlich mit der netten Summe von 300.000 Euro jährlich versüßt, also nochmals schlappe 900.000 Euro. Insgesamt ein Deal über 5,2 Millionen Euro. Na, damit ließ sich doch schon mal etwas anfangen, oder? Interessant war, am Ende des Dokuments, ein Passus, der mich unaufgefordert anlächelte, während ich ihn fotografierte:
»Sollten bis zum Abschluss des Vertrages Umstände oder Ereignisse auftreten, die geeignet sind oder erscheinen, das Renommee von Sanatorium oder bisheriger Sanatoriumsleitung schwerwiegend zu beeinträchtigen, behält sich der Käufer vor, in Neuverhandlungen über die Kaufsumme einzutreten oder, je nach Schwere der neu eingetretenen Umstände, gänzlich vom Kauf zurückzutreten.«
Neben der Klausel eine handschriftliche Notiz, in roter Tinte. Und von Franjo, nahm ich an: »Tel. wg. HJL/Info: Ko-Ko. Prüfen!«
Ich hatte kaum die Kamera wieder verstaut, meinen Platz eingenommen, schnell noch den Hochglanzprospekt in die Hand genommen und die unschuldige »Ich-mach-mich-dann-schon-mal-schlau-während-ich-warte-Miene« aufgesetzt, als Franjo Neumayer in der Tür erschien. Er schien ziemlich frustriert zu sein, der Gute. Und ganz schön aufgeregt, wie ich den roten Pusteln auf seinem Hals entnahm, knapp oberhalb der Stelle, an der die Krawatte den Speckansatz ein wenig hoch drückte. Irgendetwas schien nicht so gut gelaufen zu sein.
»Wirklich interessant«, sagte ich scheinheilig. »Wie ich dem Prospekt entnehme, sind Sie tatsächlich recht international aufgestellt.«
»Und das ist erst der Anfang!« griff Neumayer den Faden dankbar auf. »Bisher sind wir vorwiegend in Mitteleuropa vertreten. Geplant sind weitere Filialen in Russland, den arabischen Emiraten und China, etwas später dann auch noch Indien. Und ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass wir in den nächsten Jahren mit Steigerungsraten zwischen 20 und 25 Prozent rechnen. Per anno, wohlgemerkt!«
»Ich bin beeindruckt. Eine Frage am Rande: Wieso sitzt die deutsche Dependance ausgerechnet in Traunstein? Historische Gründe?«
»Genau. Und auch ein bisschen Nostalgie, wenn Sie so wollen. Hier in Traunstein wurde das Unternehmen vor knapp zehn Jahren gegründet. Das Städtchen bietet uns nach wie vor ein sehr angenehmes Umfeld. Mieten, allgemeine Kosten, Gewerbesteuern – das alles steht hier in einem sehr viel besseren Verhältnis als etwa in München. Und die direkte Nähe zu Österreich ist auch nicht gerade von Nachteil. Hinzu kommt ...«, Neumayer senkte verschwörerisch die Stimme, als hätten die Wände plötzlich große, oberbayerische Ohren »... dass die bedeutenden Geldströme, also die, bei denen es in Deutschland anfängt so richtig wehzutun, sowieso woanders hin fließen. Insgesamt eine Kombination, mit der es sich gut leben lässt.«
»Kann ich mir vorstellen«, erwiderte ich ebenso verschwörerisch und zwinkerte ihm dabei auch noch wissend zu. Junge, Junge, wir Finanzleute waren aber auch gewiefte Burschen, konnte man nicht anders sagen!
Es entstand eine dieser Pausen, die sich so unangenehm anfühlen wie das Kribbeln eingeschlafener Füße. Ich hoffte, Sonia käme bald zurück vom Pipi machen.
Bei Neumayer schien es so langsam auch zu kribbeln.
»Kann ich Ihnen noch mit irgendwelchen Informationen weiterhelfen, Herr Katz?«
»Kaum. Ich glaube, ich habe mir schon ein recht gutes Bild machen können. Falls noch eine Frage auftaucht, würde ich mir erlauben, Sie noch einmal anzurufen.«
»Selbstverständlich!«
Er griff zum dritten Mal in die Schreibtischschublade, holte ein silbernes Etui hervor, öffnete es mit spitzen Fingern und entnahm ihm eine Visitenkarte, die er mir geradezu graziös herüberreichte.
Ich ließ die Visitenkarte in meiner Sakko-Tasche verschwinden und machte keinerlei Anstalten, ihm meine zu überreichen.
»Meine Daten haben Sie
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