KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
Entwicklungspotenzial und können unseren Investoren sehr interessante Gestaltungsmöglichkeiten anbieten. An welche Summe hätten Sie denn gedacht?«
Er hatte die unangenehme Eigenschaft, mit mir zu sprechen und dabei unablässig woanders hinzugucken. So was hatte ich schon immer geliebt.
»Für den Anfang an Zweikommafünf bis Dreikommazwei.«
Mit dieser Antwort schaffte ich es tatsächlich, seinen Blick für einen kurzen Moment auf mich zu lenken.
»Millionen?«
Ich schaute ihn an, als wäre das die blödeste Frage der Welt.
»Selbstverständlich. Und zwar für den Anfang, wie gesagt. Bei befriedigender Entwicklung später auch mehr. Dazu hätte ich natürlich gerne ein paar Informationen über ihr Unternehmen. Entwicklung, Marketing-Konzepte etcetera. Und natürlich auch über die interessanten Gestaltungsmöglichkeiten, die Sie eben ansprachen.«
»Verstehe, verstehe! Ich sage immer: Wer Vermögen hat, hat schon genug Sorgen. Da braucht er nicht auch noch die Damen und Herren Beamten vom Finanzamt, nicht wahr? Steuern zu zahlen ist etwas für die, die es nicht besser wissen. Aber wir wissen es besser! Schließlich: Was wäre eine schon lukrative Geldanlage ohne anständige Verlustzuweisung, nicht wahr, ha, ha? Aber im Ernst. Die optimale steuerliche Ausgestaltung ist natürlich ein wesentliches Element für unsere Investoren, wenn nicht gar das entscheidende.«
»Und wie darf ich mir das in diesem Fall konkret vorstellen?«
»Das Geheimnis liegt darin, dass wir als international agierendes Unternehmen Dependancen in Ländern unterhalten, die fiskalisch, nun sagen wir mal: etwas flexibler sind als Deutschland. Das bedeutet für Sie: In der guten alten Bundesrepublik weisen wir die gewünschten Verluste aus, und in der Schweiz oder in Liechtenstein beispielsweise stellen wir die Gewinne bereit. Mit äußerster Diskretion, versteht sich. Eine glänzend abgesicherte, bestens bewährte Konstruktion. Aber sehen Sie selbst.«
Er nestelte einen Hochglanzprospekt über die ›MediConsult‹ aus einer Schreibtischschublade und hielt ihn mir entgegen. Statt ihn zu nehmen, nickte ich nur kurz zu Sonia herüber. Neumayer war vielleicht für einen Sekundenbruchteil irritiert, ließ sich das aber nicht anmerken und reichte den Prospekt mit elegantem Schwenk in die angenickte Richtung. Sonia nahm das hochglänzende Machwerk und legte es verbindlich lächelnd vor sich auf den Tisch.
»Fein! Wir werden das natürlich aufmerksam studieren«, sagte ich maliziös. »Aber ich hätte gerne noch ein paar weitere Hintergrundinformationen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Keinesfalls, keinesfalls. Welche Art von Informationen meinen Sie genau?«
»Zum Beispiel möchte ich wissen, inwieweit, beziehungsweise mit welcher Summe die ›MediConsult‹ bereits am Privatsanatorium Lappé beteiligt ist.«
»Da die Verträge so gut wie unter Dach und Fach sind, kann ich Ihnen ein paar grundlegende Auskünfte geben. Also: Wir haben bereits im letzten Jahr eine Kapitalsumme von 900.000 Euro investiert und stehen jetzt kurz vor der kompletten Übernahme des Sanatoriums.«
»Übernahme? Bedeutet das, dass es auch einen Wechsel in der Leitung des Sanatoriums geben wird? Ich dachte bislang, Erfolg und Reputation beruhen auf Dr. Hans-Jürgen Lappés Namen als glänzender Chirurg. Oder irre ich mich da?«
»Keineswegs, Herr Katz. Aber die Angelegenheit ist etwas komplexer. Lassen Sie es mich vielleicht folgendermaßen erklären: Herr Dr. Lappé ist eine Kapazität auf seinem Gebiet, keine Frage, keine Frage. Aber wenn wir das gesamte Potenzial seines Sanatoriums heben wollen, dann müssen wir in größeren Dimensionen denken, als Herr Dr. Lappé es idealistischerweise, möchte ich fast sagen, tut. Verstehen Sie mich bitte richtig: Verzweifelte Damen mit einer größeren Oberweite auszustatten, krumme Nasen zu korrigieren oder Männern zu helfen, die vielleicht zu kurz gekommen sind oder es doch wenigstens glauben – das alles ist gut und schön. Aber das sind letztlich nur Peanuts! Das wirkliche Geschäft liegt hier, wie in allen anderen Bereichen auch, in der Globalisierung. Die deutschen Eitelkeiten reichen für stetiges Wachstum auf Dauer einfach nicht aus. Da müssen wir an neue Zielgruppen herantreten, an die Superreichen in China zum Beispiel, in Indien, Russland, den arabischen Emiraten. Hinzu kommt, dass wir uns in einem gesellschaftlichen Umbruch befinden, der keinen Raum für zögerliche Beschaulichkeit lässt. Fakt ist: In
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