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KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

Titel: KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Zipfel
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andere Abteilung mit andern Ärzten bastelt an den attraktiven, wettbewerbsfähigen Menschen von Morgen. Wäre doch kein Problem gewesen.«
    »Doch, eins schon: Er hätte dann nicht mehr das Sagen gehabt. Und können Sie sich vorstellen, dass Dr. Hans-Jürgen Lappé, der bekannte Schönheitschirurg, als Angestellter in seiner Klinik arbeitet, in der er aber nichts mehr zu bestimmen hat?«
    »Ist auch wieder wahr.«
    Wir fuhren durch den späten Nachmittag. Über der Landschaft lag Frühling, aber langsam begann die Sonne sich zurückzuziehen wie ein älteres Fräulein, dass sich den Tag über etwas müde amüsiert hatte. Ich hielt am Straßenrand und schloss mit lässigem Fingerdruck das Dach. Nach einer halben Minute saßen Sonia und ich in einem ledernen Schneckenhaus.
    »Eigentlich schade!«, sagte Sonia.
    »Was? Dass ich das Dach zugemacht habe?«
    »Das weniger, mir wurde es so langsam nämlich auch kühl. Ich meinte eher: Eigentlich schade, dass der Fall Lappé abgeschlossen ist. Wo es doch noch so viele offene und interessante Fragen gibt.«
    »Lassen Sie es uns so sehen: Unsere detektivischen Spürnasen haben uns nicht getrogen, was mich freut. Wir haben so einiges herausgefunden, und zwar auf eine ziemlich raffinierte Art, wie ich finde. Und wir haben einen wunderschönen Ausflug gemacht. Das ist doch auch schon mal etwas, oder?«
    Sonia nickte und strich sich die Haare hinter die Ohren. Sah nett aus, denn sie hatte sehr schöne Ohren – nicht zu groß, nicht zu klein, nicht zu weit abstehend, nicht zu eng anliegend und dann auch noch mit einem hübschen kleinen Knopf aus Silber drin. Galt zumindest für die linke Seite, die ich sehen konnte. Aber ich hatte guten Grund anzunehmen, dass es auf der anderen ganz ähnlich aussehen würde. Sagte mir auch mein detektivischer Spürsinn.
    Den Rest der Fahrt sinnierten wir schweigend vor uns hin.
    Ich wusste nicht, was in Sonias Kopf so vor sich ging. Für mich jedenfalls war dieser Tag in vielerlei Hinsicht interessant gewesen. Und lehrreich. Endlich war mir klar, wie das in der Praxis so mit der wundersamen Geldvermehrung funktionierte: Man vermehrte das Geld, indem man es verschwinden ließ. Funktionierte eigentlich genau so wie der gute alte Zaubertrick – tausend Mal gesehen, tausend Mal davon gehört, tausend Mal darüber gelesen und doch immer wieder von verblüffender Wirkung: Sack voll Geld hinein in den Zylinderhut, Simsalabim tack-tack-tack, Sack mit Schulden wieder heraus und dem Finanzamt eine lange Nase gezeigt. Der springende Punkt war dabei der verfügbare Einsatz, also die Höhe der Schulden, denn da gab es unter Finanzleuten, zumindest einer bestimmten Kategorie, eine klare Werteskala: Jemand ohne Schulden war suspekt. Jemand mit kleinen Schulden anstößig. Jemand mit großen Schulden dagegen war wenigstens schon mal wer, wenn auch nicht so viel wie jemand mit ganz großen Schulden. Und jemand mit ganz, ganz großen Schulden war der Kaiser von China. Das war in erster Linie eine Frage der Summen auf dem Papier, nicht so sehr der Realitäten. Denn mit Realitäten ließen sich keine Profite machen, zumindest nicht in der angepeilten Größenordnung. Dafür langte das mühselige Geschäft mit echten Waren und Dienstleistungen vorne und hinten nicht. Das ging nur mit Wünschen, Sehnsüchten und Gier, weil die sich fast beliebig anheizen und vermehren ließen. Und wenn es gelang, das ganz große Riesenrad zu drehen, dann spielte die Realität überhaupt gar keine Rolle mehr. Das war der Overkill in Vollendung. Und das Schönste dabei: alles ganz ohne Risiko, weil die Rechnung sowieso immer brav von den Anderen beglichen wurde. Das war die Kraft des Faktischen, die in ihrer zynischen Wahrhaftigkeit fast schon wieder etwas Faszinierendes hatte: In diesem Spiel waren wir kleinen Pupser mit unseren Kreditchen für Heimchen, Autochen und Existenzlein tatsächlich nichts anderes als armselige Einfaltspinsel. Anstößig eben!
    Kurz vor München, schaltete ich das Radio ein. Netter Sender. Spielte Sachen wie »Another Day in Paradise« von Phil Collins, »Nothing Compares 2 U« von Sinéad O’Connor, »I Will Always Love You« von Withney Houston und »Mmm Mmm Mmm Mmm« von den Crash Test Dummies. Lauter gute Bekannte, und ich summte innerlich fröhlich mit. Bis der Moderator zum dritten Mal betonte, dass diese Songs doch echte »Oldies, but Goldies« seien.
    Heiliger Notenständer – tatsächlich alles schon Oldies! Ich stellte mein innerliches Summen auf

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