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KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

Titel: KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Zipfel
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weißen, blutbefleckten Schürze, die er trug. Er war dünn, fast schmächtig, hatte ein schmales, fein geschnittenes Gesicht mit einer großen Warze auf der linken Wange und zwei freundlichen, graublauen Augen. Und er sah ungeheuer zufrieden aus. Das war überhaupt so ein Phänomen: Metzger sehen meistens so ungeheuer zufrieden aus. Und, gemessen an ihrem blutigen Handwerk, erstaunlich friedlich und ausgeglichen. Aber wahrscheinlich liegt genau da auch der Schlüssel – sie können alle Aggressionen und dunklen Leidenschaften der Seele mit Messer, Hackebeil und Säge am offenen Schweinebauch abreagieren. Deshalb bleibt für ihre Mitmenschen stets die geläuterte, friedvolle, von jeder Gewalt bereinigte Seite ihres Wesens übrig.
    »Ah, der Herr Katz! Habe die Ehre!«
    »Ganz meinerseits, Herr Radlkofer. Übrigens, Ihre neue Hirnwurst: eine Wucht! Wenn ich selber nicht schon so viel Hirn hätte, könnte das meine Leibspeise werden.«
    Radlkofer lachte so heftig, dass das Riesenmesser in seiner Hand in bedrohliche Bewegung geriet, winkte ab und verschwand, immer noch lachend, wieder in seinen Arbeitsräumen, in denen die Schweine viel weniger Schwein hatten, als sie es sich dem Tütenaufdruck nach wahrscheinlich gewünscht hätten.
    Johanna Radlkofer grinste mich breit an, als sie das Geld in Empfang nahm und in der Schublade ihres Registrierkassencomputers verschwinden ließ.
    »Wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Frau Radklofer«, sagte ich.
    »Pfüat eahna!«, hörte ich sie hinter mir rufen, als ich die Metzgerei verließ, verabschiedet von dieser Klingeltonfolge, die mir schon frühmorgens den Tag versüßte.
    Zwei Häuser weiter kaufte ich mir in einem kleinen Tabakladen die Süddeutsche, stieg in mein mintgrünes Leihcabrio, das ich praktischerweise genau vor diesem Laden geparkt hatte, öffnete – wenn schon, denn schon! – das Dach und fuhr ins Büro.
    Das Vorzimmer roch nach Sonia. Oder besser: duftete. Ich nahm schnüffelnd die Fährte auf wie ein hungriger Ameisenbär, fand aber keine Beute und ging deshalb weiter in mein Büro. Erste Maßnahmen: Kaffeemaschine an, Kleinanzeigen der Süddeutschen durchgeblättert, Annonce der »Detektei Katz« auf Anhieb gefunden (»Kommt eigentlich ganz gut«), Zeitung wieder weggelegt, Computer an, ins Konto eingeloggt und – angenehme Überraschung: die gute Frau Schneiderhahn hatte doch tatsächlich meine Rechnung recht schneidig überwiesen! Angesichts der schwarzen Zahlen rieselte leichte Euphorie die Wirbelsäule hinauf und hinab, nicht wirklich getrübt durch die Tatsache, dass mir nach Abzug aller Kosten, inklusive Sonias versprochenem Anteil – da war ich eisern! – nicht viel mehr als der Regelsatz für Hartz IV übrig blieb. Vor Steuern. Ich spielte mit dem Gedanken, einen Teil meines neuen Vermögens heute Abend in »Selims Döner-Oase« zu verzechen und dabei den guten Selim – teufelssoßenmäßig – an die Kapazitätsgrenze zu treiben. Andererseits: Wie ich meinen türkischen Fleischfladenbrater so kannte, verfügte er – teufelssoßenmäßig – über geheime, unerschöpfliche Speicher in dunklen Katakomben, die ausreichen würden, ganz München dem Flammentod zu überantworten. War jetzt aber auch egal, denn der Arbeitgeber in mir sagte zu seinem leitenden Angestellten: Erst die Arbeit, dann der Ernst des Lebens. Aber vorher noch eine Tasse Kaffee.
    Der erste Schluck ging, wie immer, in die Luftröhre. Konnte man aber auch so sehen: Andere leisteten sich morgens erst einmal einen zünftigen Raucherhusten und ich eben einen »Der-erste-Schluck-gehört-mir-sagte-die-Luftröhre-Husten«. Dann biss ich in die Salamisemmel und beförderte den Bissen ordnungsgemäß in die Speiseröhre. Na bitte, ging doch!
    Friedlich frühstückte ich zu Ende, blätterte dabei in der Süddeutschen und fand mein Detektiv-Dasein gar nicht mal so schlecht. Dann wollte ich mit dem Abschlussbericht für Jüjü loslegen aber die neuen Informationen aus Traunstein ließen mir keine Ruhe. »Also«, dachte ich mir, »erst mal die Neugier befriedigen und später den trockenen Bürokram erledigen.«
    Ich überspielte die Fotos von meinem Besuch bei der ›MediConsult‹ auf den Computer und notierte mir die Zahlen: 4.300.000 Euro, 300.000 Euro (mal 3 = 900.000 Euro), Summe: 5.200.000 Euro. Hatte ich schon mal gesehen, diese Zahlen. Und zwar auf dem leeren Umschlag aus Jüjüs Tresor. Ich öffnete das entsprechende Dokument auf meinem Rechner und tatsächlich: In der linken,

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