Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

Titel: KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Zipfel
Vom Netzwerk:
Combo, die, lauthals unterstützt von den frohsinnigen Passagieren, Musik machte – Modern Jazz, Oldtime Jazz, Blasmusik oder eine Mischung aus allem. Nicht immer gut, nicht immer schlecht, nicht immer richtig, aber immer ziemlich laut. Egal, war trotzdem ganz schön.
    Die Familie, bei der ich zur Untermiete saß – Vater, Mutter, Sohn und Tochter, alle sehr nett, alle sehr bayerisch in ihrer Tracht –, hatte auf der mitgebrachten Decke, weiß-blau natürlich, die mitgebrachten Speisen ausgebreitet: Kartoffelsalat, Fleischpflanzerl, Karotten, Radieschen, Wurstsalat und jede Menge Obst. Der Vater, ein Mittvierziger mit Vollbart und einem goldenen Ring im rechten Ohr, nickte mir zu und deutete einladend auf das Angebot des Tages. Ich stellte die Pommes frites und das halbe Hähnchen dazu und so tauschten wir uns gegenseitig aus. Lebensmittelmäßig. Was sie mitgebracht hatten, schmeckte mir weitaus besser als mein eigener Beitrag zum Büffet, dafür waren Pommes frites und Hähnchen für die Kinder wiederum weitaus interessanter als Muttis gesunder Salat, Obst und Gemüse. So glich sich das aus.
    Bevor wir Brüderschaft trinken konnten, machte ich mich auf die Socken. Ich ging zu Fuß durch den Wald nach Pullach und zurück. Ungefähr vier Kilometer, insgesamt. Mein durchtrainierter Körper brauchte eben dann und wann Bewegung und das Gefühl, endlich mal wieder bis an die physischen Grenzen gefordert zu sein. Und es war nicht schwer, ihm dieses Gefühl zu geben, ein Spaziergang von Großhesselohe nach Pullach und retour reichte dafür vollends aus.
    Zurück von meinem Marathon stieg ich ins Cabrio und fuhr nach Hause, wo meine weinrote Geliebte auf mich wartete. Und ein langer Fernsehabend, bei dem es mich, wenn ich ihn rekapituliere, noch heute vor wohliger Erregung schaudert – so unterhaltsam war er, wirklich wahr!

35
    Ich habe es immer schon gehasst, im Bett zu frühstücken. Deshalb weiß ich auch bis heute nicht, wieso ich an diesem Sonntag auf die Idee kam, mir den Blödsinn noch mal anzutun. Gegen besseres Wissen und jeglichen Instinkt, und deshalb kam es schließlich, wie es kommen musste: Ich hatte kaum das wackelige Tablett mit dem handgebrühten Kaffee – weil: Kaffeemaschine stand ja im Büro – und allem Pipapo vorsichtig auf den ausgestreckten Beinen abgestellt, als das Frühstück auch schon beendet war, bevor es angefangen hatte.
    Es begann mit dem Köpfen des Eis, ein Akt, der, schon aus Respekt vor der zerbrechlichen Natur, ein Höchstmaß an Gefühl und profunde Kenntnisse der Physik, gepaart mit absoluter Entschlossenheit, verlangt. Alles Dinge, die ich an diesem Sonntagmorgen nicht im Ansatz aufbrachte. Ich nahm mit zwei zaghaften Anklopfern Maß, holte zum entscheidenden Schlag aus, verschätzte mich aber in der Höhe, versuchte noch im Schwung zu korrigieren, geriet deshalb mit dem Messer in eine beschleunigte, aber irgendwie zu elliptische Flugbahn und verfehlte den angestrebten Knackpunkt gleichzeitig knapp und komplett, sodass das Messer, jetzt in voller Fahrt, über das Ei hinwegsauste, wenn auch mit einer leichten Berührung an der Stelle, an der, hätte das Ei Haare gehabt, der Scheitel gewesen wäre, mit dem Effekt, dass meine linke Hand, bereit den entscheidenden Stoß der rechten abzufangen, in Ermangelung dieses Stoßes überreagierte und seinerseits den Eierbecher samt Ei in eine gefährliche Schräglage brachte. Das war dem Ei zu viel! Angetrieben von Beschleunigung, Fliehkraft, Drehmoment oder was-weiß-ich hob es ab, als wäre der Eierbecher eine geheime Raketen-Startrampe im Urwald von British Kolumbien. Das Ei flog so gut, wie Eier eben fliegen können, nämlich im Prinzip gar nicht, plumpste deshalb in einem recht rudimentären Rundbogen wieder zurück aufs Tablett, landete ausgerechnet an der Stelle, an der die volle Kaffeetasse stand, und tauchte so hinein in den gesüßten Milchkaffee. Der Rest war Verdrängung einer Flüssigkeit beim Eintauchen eines beschleunigten Festkörpers: Der Kaffee schwappte über den Tassenrand, und zwar mit Schmackes, wobei ein Teil auf der Bettdecke landete und dort einen Fleck von Form und Größe Sachsen-Anhalts hinterließ, der andere das Schinkenbrot durchweichte. Ich überlegte eine Weile, ob ich die ganze Sauerei gleich zum Fenster hinauswerfen oder versuchen sollte, mir diese Entdeckung des kombinierten Frühstücks – Kaffee mit integriertem Ei und durchweichtes Schinkenbrot mit integriertem Kaffee – irgendwie patentieren zu

Weitere Kostenlose Bücher