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KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

Titel: KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Zipfel
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zermalmte, dann mit jaulenden Reifen zurücksetzte und ebenso schnell verschwand, wie er aufgetaucht war, während Annegret Bahmann, jetzt ungestützt und haltlos von der Hüfte an, mit grotesker Beiläufigkeit und ohne einen einzigen Ton vornüber auf den feuchten Gehweg sank und starb. In ihren Augen tausend Fragen, für die es nicht eine einzige Antwort gab.
    Der Fahrer musste die Kontrolle über das Fahrzeug mit dem – je nach Zeugen – Bonner Kennzeichen, ausländischen Kennzeichen, gar keinem Kennzeichen verloren haben. Ein schrecklicher Unfall, zumindest darin waren alle sich einig.«
    Heiliges Nervenkostüm – ich wusste nicht, was mich mehr beeindruckte: die brutale Art, mit der die liebe Sonia ihre Romanfigur um die Ecke brachte, oder die Tatsache, wie mitreißend sie das beschrieb! Auf jeden Fall ließ ich jetzt Frühstück Frühstück sein und verzog mich mit dem Manuskript auf mein weinrotes Sofa.
    Annegret Bahmann hatte, wie ich nach und nach erfuhr, ihr Leben lang perfekt funktioniert: war eine perfekte Tochter, perfekte Schülerin, perfekte Studentin, perfekte Sekretärin gewesen, bis sie schließlich, nach vielen Jahren perfekter Selbstverleugnung, zur Chefsekretärin in einem großen Unternehmen aufgestiegen war. Das alles hatte sie nicht aus eigenem Antrieb erreicht, dazu war sie eigentlich viel zu wenig ehrgeizig. Die Pflicht, stets allen zu gefallen, war vielmehr ein Familienerbe: »Nur wer überall und jederzeit sein Bestes gibt, der bringt‘s zu was und wird geachtet«.
    Die Pflicht, stets zu gefallen und zu funktionieren, galt auch für ihr Liebesleben, obwohl sie »diesem albernen Gehampele und Gestöhne nie etwas hatte abgewinnen können, an deren Ende nur klebrige Feuchtigkeit blieb, kalte Flecken auf klammen Laken und ein verschwitzter Körper, haarig und erschöpft, der sich abwendete und einschlief, während sie noch ewig da lag, mit dieser unerlösten Spannung im verlassenen Körper und dieser dummen, hungrigen Sehnsucht im Kopf«.
    Ich legte das Manuskript beiseite, ging in die Küche, nahm den Rest vom Schinkenbrot und ging, mit vollen Backen kauend, wieder zurück zum Sofa, um zu erfahren, wie es mit der Heldin des Romans denn weiterging.
    Eines Tages, und ganz zufällig, wie sie glaubte, traf Annegret Bahmann diesen Mann, morgens im Bus, auf dem Weg zur Arbeit. Ein Mann, der sie sofort in seinen Bann zog. Und das nicht nur, weil er so attraktiv war, schlank, hochgewachsen und mit leuchtend blauen Augen. Er war dazu auch geistreich, witzig, elegant und einfühlsam, hörte zu, gab kluge Ratschläge, wenn sie ihn darum bat, nahm Anteil, aber mischte sich nicht ein. Sie gingen gemeinsam ins Museum, in die Oper, in die besten Restaurants, verbrachten erst einzelne Abende miteinander, dann auch die Wochenenden, entweder bei ihr oder auf kurzen Reisen in Hotels. Kurzum: Annegret Bahmann war zum ersten Mal in ihrem Leben so richtig glücklich, denn »mit ihm war alles anders als mit anderen, waren die Stunden im Bett kein Gehampele und Gestöhne, sondern Zusammensein, so innig, dass es schmerzte, lebendige Feuchtigkeit auf körperwarmem Laken. Was er mit ihr tat, wenn sie sich liebten, ganz selbstverständlich und mit unbeschwerter Leichtigkeit, das war so neu und un-verschämt, dass es die Lust in Wellen durch ihren Körper trieb, bis ihr fast schwarz vor Augen wurde. Weil es nicht rein und sauber war, sondern gierig, lüstern, unersättlich, verschwenderisch und auf geheime Art verrucht – Annegret Bahmanns andere Seite. Danach lag sie erschöpft in seinem Arm, seine Hand zärtlich auf ihrer Stirn, bis sie einschlief, so glücklich und zufrieden, dass sie sich am liebsten aufgelöst und sich als Hauch auf jede Pore seines Köpers gelegt hätte«.
    Ich hatte eigentlich nicht viel übrig für die Beschreibung weiblicher Befindlichkeiten. War etwas für Frauenromane, dachte ich immer. Stimmte aber nicht ganz, jedenfalls nicht, wenn weibliche Sehnsüchte und Leidenschaften so beschrieben wurden. Musste ich zugeben. Zwischendurch konnte ich mir aber auch das Grinsen nicht verkneifen, denn Sonia bediente sich ausgiebig aus dem Topf der Erfahrungen, die sie bis jetzt in der berühmten ›Detektei Katz‹ gesammelt hatte: Annegret Bahmanns große Liebe erinnerte mich doch sehr an Jüjü, wenn sie ihn auch um ein paar entscheidende Jährchen verjüngt hatte. Künstlerische Freiheit eben. Und ihre gefährliche Konkurrentin um den Vertrauensposten im Chefsekretariat wiederum trug eindeutig die

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