KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
Auftrag nachdenken wollte. Eigentlich ein klassischer Fall: Betrogener Ehemann sucht Liebhaber seiner treulosen Frau. Wenn es denn so war.
Was mich irritierte, waren diese dissonanten Untertöne: Jeder der Lappés spielte seine Melodie, aber mit verstimmtem Instrument. Die Unstimmigkeiten lagen in der Luft wie Grillgeruch in einer Hähnchenbraterei. Zwischen Vanessa und ihrer Stiefmutter sowieso, da waren sie ja förmlich greifbar. Aber auch zwischen Jüjü und seiner Frau schien es zu knirschen. Er hatte mir diesen Auftrag mit kalter, fast berechnender Ruhe gegeben und nicht mit der verwirrten Besorgnis eines Ehemanns, der fürchtete, seine Frau an einen Anderen zu verlieren. Und warum war sie – aus nichtigem Anlass, wie sie doch selber betont hatte – so nervös gewesen? Warum hatte sie versucht, mich fürs Nichtstun zu bezahlen und war geradezu erschrocken, als ihr Mann anscheinend früher als erwartet nach Hause kam? Konnte es sein, dass sie vor irgendetwas Angst hatte, und dass dieses Etwas mit ihrem Mann und Stieftöchterchen Vanessa zu tun hatte?
Überhaupt Vanessa: War in dem Alter, in dem man nie weiß, ob man es gerade mit einer fast erwachsenen Frau oder mit einem Baby zu tun hat. Und konnte einen, wie alle Mädchen im Teenie-Alter, mit einem Wimpernschlag und zwischen zwei Nebensätzen von einer Verblüffung in die nächste versetzen. Warum bestand sie so darauf, dass ihr Hund nicht weggelaufen, sondern entführt worden sei? Und warum hatte sie sich zuerst bei Sonia erkundigt, wo ich zu finden sei, um dann bass erstaunt zu sein, mich genau dort anzutreffen? Sollte mich nicht wundern, wenn dieser zischelnde Trotzkopf noch die eine oder andere Überraschung auf Lager hätte. Zuzutrauen war es ihr.
Der Einzige, der – mangels Hirn und Gelegenheit – niemandem etwas vormachte, war Gottfried. Ich war gespannt, wann, wo und wie der vierbeinige Jammerlappen wieder auftauchen würde. Hoffentlich nicht als Kadaver, platt gefahren an einem versifften Straßenrand. Das hätte mir dann auch wieder leidgetan. Musste ich zugeben.
Lauter Fragen und bis jetzt nicht den Ansatz einer plausiblen Antwort. Dazu wusste ich einfach nicht genug. Noch nicht! Im Moment blieb mir deshalb nur eines: den Urheber des Briefs zu ermitteln und den Grund, warum er ihn geschrieben hatte. War ja auch mein Auftrag, wurde ich für bezahlt. Und dann würde ich schon weiter sehen.
Selim brachte mir, immer noch grinsend, meinen »Döner-Spezial« und das, wie mein Magen knurrend signalisierte, keine Sekunde zu früh. Ich setzte zum beherzten Bulettengriff an, den ich mir in ausgiebigen Studien abgeguckt hatte: Daumen, Zeige-, Mittel- und Ringfinger beider Hände leicht zueinander gebogen, dazwischen der Döner, jeweils von den abgespreizten kleinen Fingern hinterrücks fixiert, damit nichts wegflutschen konnte. Also ungefähr so, als wollte man eine schwangere Querflöte abnagen.
Meine Technik war in der Theorie vortrefflich, die praktische Umsetzung gelang mir allerdings nicht besser als ein verschossener Elfmeter. Als ich in den Döner biss, tropfte mir die sämig fettige Knoblauchsoße auf den Bauch. Ich brauchte gar nicht hinzusehen, ich spürte das.
Immerhin schmeckte das Ding köstlich. Aber nicht lange! Von einer Sekunde auf die andere wurde meine Zunge taub, die Sinne schwanden und aus meinen Augen tropften heiße Tränen. Exakt dort hin, wo schon die Knoblauchsoße war. Ich brauchte gar nicht hinzusehen, ich spürte das.
»Heiliger Üzgülli!«, krächzte ich heiser Richtung Theke, »was hast du bloß in diesen verdammten Döner getan, Selim? Chilischoten mit Teufelspfeffer und Tabasco-Extrakt?«
Ich sah durch den Tränennebel, wie Selim den Kopf auf die Seite legte und dabei die Schultern hob. Ein Bild vollkommener Unschuld.
»Wolldes doch habe Sbessiahl.«
»Ja, klar, aber doch nicht sooo spezial! Ich brauch sofort ein Bier!«
Selim erfüllte mir, immer noch grinsend, meinen verzweifelten Wunsch. Endlich! Die Wirkung war allerdings ganz anders als geplant. Ich hätte genauso gut versuchen können, einen glühenden Holzkohlengrill mit Spiritus zu löschen! Aus den Mundwinkeln schäumte das Bier und vereinigte sich auf meinem Bauch mit Tränen und Knoblauchsoße. Ich brauchte auch diesmal gar nicht erst hinzusehen, denn ich spürte auch das.
War dies das Ende? Sollte ich hier und heute sterben, in »Selims Döner-Oase«, mit einem schnulzigen Liebeslied im Ohr und verkohlten Innereien, halb betäubt, mit bunt
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