KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
Sie sich schon einen schicksalhaft gebrochenen Helden ausdenken. Einer, der unheilbar krank ist. Vielleicht auch gesund, aber dann muss seine Frau vor Kurzem an Brustkrebs gestorben sein. Und das gemeinsame Kind gerät auf die schiefe Bahn. Drogenprobleme natürlich! Am besten wäre ein Held, der von seiner schweren Erkrankung erfährt, kurz, nachdem seine Frau an Krebs gestorben ist und sein vereinsamter Vater, zu dem er schon seit Jahren den Kontakt verloren hat, sich auf seine alten Tage in eine Frau verliebt, die aber nur an die Familienersparnisse will. Worum er sich aber nicht richtig kümmern kann, weil er in einem Fall ermittelt, in dem, ohne dass er es weiß, seine drogenabhängige Tochter, die zur Finanzierung ihrer Sucht auf den Straßenstrich geht, eine tragische Rolle spielt. Und, ganz wichtig: Seine Kollegen sind natürlich auch alle Arschlöcher! Zum Ausgleich für so viel lebensechten Trübsinn empfehle ich dann eine liebenswürdige Schrulle: Er hat ein besonderes Verhältnis zu einer zahmen, klugen Blindschleiche, deren Eltern in einem Mörser endeten, von gefühllosen Chinesen zu Pulver zerrieben und als Aphrodisiakum verscherbelt. Die trägt er immer bei sich in der Jackentasche, außer im Winter. Da bekommt sie ein warmes Logenplätzchen in seiner Unterhose. Na ja, so ähnlich jedenfalls.«
Sonia schaute mich mit einer Mischung aus Überraschung, Interesse, Belustigung und ernsthafter Aufmerksamkeit an.
»Klingt verdammt gut und könnte ein echter Reißer werden! Und wie geht es heute bei uns normalen Langweilern weiter?«
»Wir besuchen heute Vormittag die ehemalige Lieblingslehrerin von Maria Bunzenbichler, diese Frau ... wie hieß sie noch gleich? Moment ...«. Ich nestelte mein Notizbuch aus der Hosentasche und schaute nach, was ich mir nach unserem ersten Besuch auf dem Bunzenbichler-Hof aufgeschrieben hatte. »Da haben wir es: Brandner ist der Name.«
»Wenn sie noch so heißt und nicht zwischendurch geheiratet hat, natürlich.«
»Natürlich.«
»Und mit welcher Legende treten wir diesmal auf?«
»Mit der raffiniertesten überhaupt: der Wahrheit!«
16
Von den drei Gymnasien in Rosenheim erwischten wir gleich beim dritten Versuch das richtige.
Im Lehrerzimmer bereitete sich ein Dutzend Mitglieder des Lehrkörpers auf die nächsten 45 Minuten pädagogischer Herausforderungen vor, und zwar bei Kaffee und Kreuzworträtseln oder beim Plausch am Kopierer. Und alle waren dabei so hoch konzentriert, dass sie ihre Aufmerksamkeit nicht auch noch an uns verschwenden konnten.
Wo ich denn Frau Brandner finden könne, fragte ich einen Rothaarigen, der am nächsten zur Eingangstür saß. Er schaute zu mir hoch, im Fussel-Vollbart noch die Krümel vom Pausenbrot, und ich registrierte frustriert, dass mein Magen sich wieder meldete.
Der Fusselbart wandte sich um und rief in die Tiefe des Raums: »Hat einer die Kollegin Brandner heute schon gesehen? Hat die jetzt Unterricht?«
Daraufhin hob eine grauhaarige Mittvierzigerin, ohne ihren Blick auch nur eine Sekunde von ihrem Kreuzworträtsel abzuwenden, die rechte Hand und deutete mit dem gestreckten Daumen über die Schulter auf die Pinnwand direkt hinter ihr.
»Steht alles auf dem Plan!«
Der Rothaarige setzte sich murrend in Bewegung. Man konnte behaupten, was man wollte, aber sie alle waren die Hilfsbereitschaft selbst!
Krümelbart studierte den Plan. Irgendetwas schien ihn zu amüsieren, denn plötzlich fing er an zu grinsen.
»Die Brandner ist in der Turnhalle, Vertretungsstunde für Wollinsky.«
Jetzt grinste auch die Grauhaarige.
»Eieiei, na ja, einer muss es ja schließlich machen.«
»Übrigens« wandte sich Rotbart jetzt wieder an uns, »was wollen Sie eigentlich von ihr?«
Ich versuchte, meine Stimme geheimnisvoll gedämpft klingen zu lassen, aber natürlich gleichzeitig laut und deutlich genug, dass alle mich gut verstehen konnten.
»Eigentlich darf ich ja nicht drüber reden, ist nämlich noch nicht amtlich. Aber ihre Kollegin ist anscheinend äußerst positiv aufgefallen. Und zwar ...«, ich deutete mit dem Zeigefinger Richtung Zimmerdecke, »... bei denen da oben. Ganz oben, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Die Verblüffung in den Gesichtern des Kollegiums machte mir Spaß, und ich war mir sicher, dass diese unerwartete Neuigkeit sich rasend schnell verbreiten würde. In Sonias Gesicht las ich keine Verblüffung, sondern eher so eine Art spöttische Belustigung. Ich wusste genau, was sie jetzt dachte: Wenn das unsere
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