KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
Die Sprachlosigkeit saß zwischen uns, wie eigentlich schon immer. Wir tranken Kaffee und aßen dazu einen selbst gebackenen Sandkuchen. Ich konnte mich nicht erinnern, dass sie früher jemals für mich einen Kuchen gebacken hätte.
Seit wann sie denn so leckeren Kuchen backen würde, fragte ich sie.
Seit sie in Hamburg lebe. Sie würde überhaupt ganz viele Sachen anders machen, seit sie in Hamburg lebe, sagte sie.
Das fände ich aber spannend, sagte ich.
Ja, ihr neues Leben sei mit der Zeit in München gar nicht zu vergleichen, sagte sie.
So ging es weiter, monoton und trocken wie der Sandkuchen, der unangenehm süß an meinem Gaumen klebte. Sie erkundigte sich nach meinem Leben und ich mich nach ihrem, ohne dass es sie oder mich wirklich interessiert hätte. Dafür war zu viel passiert und hatte sich gleichzeitig zu wenig geändert, waren wir zu sehr die gleichen geblieben und hatten uns doch unerreichbar weit auseinanderentwickelt. Unsere Konversation hätte, wie ich es eigentlich seit je gewohnt war, auf ein viertel Klötzchen giftgrüner Post-it-Zettel gepasst.
Beim Abschied beugte ich mich zu ihr herunter – mein Gott, wie klein sie war! – und ließ mir feuchte Küsse auf beide Wangen geben. Wünschte ihr viel Glück und wusste doch gleichzeitig, dass sie das nicht wirklich haben würde. Sie war einfach nicht der Typ, mit dem das Glück sich lange aufhielt, bei ihr machte es lustlos kurzen Prozess.
»... und ich weiß auch genau, warum sie das nicht tut!«, hörte ich Vanessa sagen.
»Tschuldigung, hab’ nicht so recht aufgepasst. Was hast du gesagt?«
»Ich sagte: Ich kann diese doofen Post-it-Zettel nicht mehr sehen und der Fraß aus der Mikrowelle steht mir bis hier oben.« Ihre Hand wanderte bis unter die Nase. »Und diese blöden Pizzas von Luigi hab ich auch obersatt. Ich möchte mal was richtig Gekochtes. Mal was Leckeres, mit allem Drum und Dran. Aber glaub nicht, dass meine Stiefmutter mir mal was Gescheites zu essen macht. Nie! Obwohl sie eigentlich ganz gut kochen kann, und ich weiß auch genau, warum sie das nicht tut!«
»Und? Warum?«
»Weil ich mich dann womöglich hier wohlfühlen könnte.«
»Und du meinst, das will sie nicht? Und was ist mit Elfriede? Warum kocht die nicht für dich?«
»Die darf nicht. Meine Stiefmutter kann es angeblich nicht haben, wenn jemand anderes in ihrer Küche herumfuhrwerkt. Pah, wer’s glaubt, wird selig!«
Ich guckte in die Mikrowelle und musste Vanessa recht geben. Was da auf dem Teller lag, sah nicht sehr appetitlich aus.
»Was würdest du denn davon halten«, sagte ich, »wenn ich dir etwas koche? Ich kenne da ein sagenhaftes Rezept, wenn du das einmal probiert hast, sage ich dir ...«
Über Vanessas Gesicht huschte die Andeutung eines interessierten Lächelns.
»Erzähl!«
»Also, das haben schon die alten Inkas an hohen Feiertagen zubereitet, wie man vor einiger Zeit bei Ausgrabungen entdeckte. Meistens nach dem Fußballspiel. Die hatten nämlich die Angewohnheit, ihre Feinde grausig abzumurksen und dann mit deren Köpfen Fußball zu spielen. War natürlich ziemlich anstrengend für die Spieler, und deshalb brauchten sie nach dem Spiel etwas Nahrhaftes, aber auch möglichst Vegetarisches, weil ihnen gegen Ende des Spiels meist der Appetit auf Fleisch vergangen war. Verständlicherweise. Das Gericht nannten sie ›Tomatokäxlieix‹, was ins Deutsche übersetzt so viel heißt wie: ›Tomaten-Käse-Ei‹. Und wenn du mir eine Scheibe Brot, irgendeinen Schnittkäse, ein Ei und eine Tomate besorgst, zeige ich dir, was die Inkas damals regelmäßig so glücklich gemacht hat.«
»Mensch Arno, du flunkerst aber ganz schön. Bah, was für eine schaurige Geschichte! Die ist doch nie und nimmer wahr!«
»Meinst du? Na gut, ich habe das Rezept selber erfunden, und zwar an einem Abend, an dem ich zu Hause nichts weiter im Haus hatte als ...«
»... Brot, Tomaten, Käse und Eier, stimmt’s?«
»... kluges Mädchen! Aber das schmeckt wirklich nicht schlecht, willst du es nicht mal probieren?«
»Na gut. Aber nur, wenn du die Originalversion der Inkas machst. Die Story find ich doch erheblich interessanter, als deinen leeren Kühlschrank. Und auch nur, wenn du was mitisst, okay?«
»Dann gibt’s jetzt also original ›Tomatokäxlieix‹. Her mit den Zutaten, Gehilfe!«
Vanessa brauchte nicht länger als dreißig Sekunden, bis sie mir alle Zutaten hingestellt hatte, dann konnte es losgehen: Pfanne auf den Herd, etwas Öl hinein, Brotscheiben
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