KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
Tasse Tee, mehr war nicht drin. Kaffee wäre mir erheblich lieber gewesen, aber die Kaffeemaschine stand ja jetzt in meiner schnieken Detektei.
Ich spielte für einen Augenblick mit dem Gedanken, mich selber um einen freien Tag zu bitten. Aber wie ich mich kannte, würde ich mir den nicht geben, deshalb versuchte ich es gar nicht erst. Außerdem setzte so langsam die heilende Kraft des Selbstmitleids ein: Man muss sich nur mit weinerlicher Wonne darin ergehen, wie schlecht es einem geht, dann geht’s schon wieder.
Um elf rief ich im Büro an und informierte Sonia über meine Pläne für den Tag. Darüber, dass ich als erstes Jüjü Lappé einen Besuch abstatten würde und sie deshalb bis zum frühen Nachmittag auf mich verzichten müsse. Sie versprach, das tapfer zu versuchen. Ich sah sie im Geiste auf ihrem Drehstuhl sitzen, frisch und knackig wie Blattsalat und scharf wie Selims Spezial-Döner, während mir ihre Stimme den Honig im Tee ersetzte. Quasi ein Komplettmenü – Vor-, Haupt- und Nachspeise in einem Happs!
Ich nahm meine Jacke vom Haken und machte ich mich auf den Weg nach Harlaching – ein einsamer Detektiv, gezeichnet von den Gefahren seines Berufs, aber grimmig entschlossen, den Kampf gegen das Böse bis zum Ende auszufechten.
Im Auto wurde ich das dumpfe Gefühl nicht los, etwas Wichtiges vergessen zu haben. Am Nockherberg machte ich die erste, grobe Kontrolle: kein Rasierschaum mehr im Gesicht. Gut. An der Kreuzung vor dem alten 60er-Stadion musste ich an der Ampel halten. Gelegenheit für einen weiteren Check: Hemd, Hose, Jacke, Papiere, Handy – alles komplett, das konnte es also nicht sein. Auf der Münchner Straße blockierte ein Müllwagen den gesamten Verkehr. Gute Gelegenheit, für einen prüfenden Blick nach unten: Schuhe hatte ich auch an, dazu sogar zwei Socken von ein und demselben Paar.
Als ich in die Harthauser Straße einbog, fiel mir endlich ein, was ich vergessen hatte: die Rechnung für Jüjü! Ausgerechnet! Ich rief Sonia an, gab ihr nicht ohne Genugtuung den Betrag plus Mehrwertsteuer durch, bat sie, die Rechnung zu schreiben und auf meinen Schreibtisch zu legen. Sie versprach‘s.
Ich parkte den Volvo an der gleichen Stelle wie das letzte Mal. Bevor ich ausstieg, guckte ich vorsichtshalber noch mal in den Rückspiegel: Alles klar, ich sah schon fast wieder aus wie neu. Also auf ging’s in die Lappésche Villa, dieses schelmische Stückchen Toskana mitten in Harlaching!
Elfriede, die resolute Haushälterin, ließ mich nach kurzer Musterung herein. Wenn auch etwas widerwillig, wie mir schien. Herr Lappé sei momentan nicht anwesend, knurrte sie, und überhaupt, ob ich denn einen Termin habe? Ich antwortete lässig mit dem Hinweis, dass ich keinen bräuchte und dass ich gerne warten würde, weil Herr Lappé bestimmt schon gespannt auf meine ersten Ermittlungsergebnisse sei. Erste Ermittlungsergebnisse, das saß! Die Haushälterin bot an, sich telefonisch nach der Rückkehr des »gnädigen Herrn« zu erkundigen und verschwand im Haus. Ich schlenderte derweil zu dem Chauffeur herüber, der vor der Doppelgarage den Cayenne wienerte.
»Ist hoffentlich nicht vergebens!«, sagte ich und deutete nach oben, wo sich langsam aber sicher dunkle Regenwolken in den weiß-blauen Rautenhimmel mischten.
Er folgte meinem Zeigefinger mit seinen blaugrauen Augen.
»Deswegen habe ich den Wagen ja eingewachst. Da perlt das Wasser ab wie nix.«
»Schönes Auto. Kann man direkt von Harlaching aus die Wüste Gobi durchqueren, falls man da mal einen Termin hat. Irgendwie echt praktisch.«
Er schwieg.
»Jede Menge PS, was? Oder besser: kiloweise Kilowatt, watt?«
Er schwieg.
»Was macht der denn so?«
»Knapp Zwoachtzig.«
Ich versuchte, diesen Ausbruch von Auskunftsfreude zu nutzen.
»Sagen Sie, Herr ... äh ...«
» ... Karl.«
»Herr Karl ...«
»Einfach nur: Karl!«
»Also gut: Sagen Sie, Karl, fahren Sie nur die kleine Vanessa oder chauffieren Sie auch die Dame des Hauses.«
»Beide. Frau Lappé hat keinen Führerschein. Und will auch keinen machen.«
»Umso besser für Sie!«
»Eben.«
»Eigentlich schade, dass die beiden sich so schlecht verstehen, Vanessa und ihre Stiefmutter, was? Woran mag das wohl liegen?«
»Weiß nicht. Und geht mich auch nichts an.«
Junge, Junge, war wirklich ein harter Brocken, unser Chauffeur!
»Schon klar! Übrigens, ich schätze das sehr.«
»Was?«
»Diskrete Hausangestellte. Ich meine: Sie kriegen doch bestimmt ungeheuer viel mit.
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