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KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

Titel: KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Zipfel
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ersten Besuch her in Erinnerung hatte. Auch das Parkett schien glänzender, die Decken höher, der vergoldete Stuck protziger. Vielleicht war aber auch ich etwas geschrumpft in der Zwischenzeit. Oder ich hatte einfach die Zigarre nicht richtig vertragen. Konnte natürlich auch sein, dass irgend so ein Schlingel in Kuba etwas Belebendes in die Rauchware gefummelt hatte. Wer konnte das schon genau wissen in dieser Welt voller Ungewissheiten?
    Links und rechts des Wegs geschlossene Türen. Bis auf eine. Musste ich natürlich reingucken, war ja klar! Auf dem Krankenbett saß ein Mann in seidenem Schlafanzug, den Kopf vermummt bis auf Nase und Augen. Gebannt schaute er auf den Flachbildschirm an der gegenüberliegenden Wand. Ein bis zum Abwinken gut gelaunter Moderator mit himmelblauen Augen und spitzer Hakennase heizte gemeinsam mit den »Hintertaler Gaudiburschen» einem entfesselt schunkelnden Publikum ein. Der ultimative Frohsinn, in Panoramaformat und Dolbyton – »Lustige Musikanten«. Heiliges Trauerspiel – das Fernsehen verkohlte die Leute wirklich effizient! Für zwei faustdicke Lügen brauchten die TV-Fritzen nicht mehr als gerade mal zwei Worte, denn: Die zappelnden Grinsegesichter auf dem Bildschirm waren weder »lustig« noch »Musikanten«. Sondern viel eher ein eklatantes Beispiel für vertonte Gehirnerweichung.
    Der Mann auf dem Bett bemerkte mich schließlich und schaute zu mir herüber. Und ich sah direkt in zwei himmelblaue Augen, jeweils umrahmt von einem bunt schillernden Bluterguss, darunter eine spitze Hakennase. Ein melancholischer Pandabär, der sich selber in einer älteren Aufzeichnung seiner tönenden Bumsfidelsendung betrachtete. Oder besser: Der sich ansah, wie er aussah, als er noch so aussah, wie er hoffentlich bald wieder aussehen würde. Das war eben das Geschäft, dachte ich: Wenn man nichts weiter zu verkaufen hatte als sein Gesicht, dann musste das eben auch so bleiben, wie man es verkauft hatte. Geschäftsgrundlage quasi. Das war gar nicht so leicht zu bewerkstelligen im Laufe der Zeit. Und gerade eben deshalb auch so ein profitables Geschäft für Jüjü und seine schneidigen Kollegen.
    Ich wusste selbst nicht so genau wieso, aber irgendwie tat der Mann mir plötzlich leid. Deshalb nestelte ich schnell einen Kugelschreiber und meinen Notizblock aus der Jackentasche und presste, scheinbar betäubt vor Begeisterung, hervor: »Mensch, Sie sind doch der Mann aus dem Fernsehen. Hab’ Sie gleich erkannt. Könnte ich vielleicht ein Autogramm haben?«
    Ich sah förmlich, wie er innerlich geschmeichelt aufseufzte. Unsere Kommunikation gestaltete sich dagegen, vermummt, wie er war, ebenso einseitig wie undeutlich.
    »Mumfenblampfanke!«, sagte er.
    »Genau!«, antwortete ich geistesgegenwärtig. »Und seit wann schon?«
    Schweigen.
    »Schreiben Sie doch bitte: ›Für Arno, den Meisterdetektiv‹! Würden Sie das für mich tun?«
    »Mumpf.«
    »Danke, das ist ungeheuer nett von Ihnen, Herr ...«
    »Mumpf.«
    »Herr Mumpf!«
    »Mumpfbumpfmumpf!«
    Ich drückte ihm den Stift in die Hand, bevor er es sich anders überlegte.
    »Also: ›Arno, den Meisterdetektiv!‹, ja?«
    »Mumpf.«
    »Genau!«
    Er schrieb geduldig die gewünschte Widmung und dann mit Schnörkel, Krakel, großem Bogen und Punkt eine Unterschrift, die ich nicht entziffern konnte. Mein erstes Autogramm! Ja, ja, das Leben zündet seine schönsten Leuchtraketen schon mal mit gehöriger Verzögerung.
    »Vielen Dank!«, sagte ich.
    »Mumpf!«, antwortete er. Eine Antwort, mit der ich bereits gerechnet hatte.
    »Ich gehe dann mal wieder. Gute Besserung.«
    »Mumpfurcksschmansmans. Mumpf, bumpf!«
    Aha, dachte ich, es war also durchaus nicht so, dass er mir nichts mitzuteilen hatte! Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter und nickte ihm verständnisvoll zu. Dann verließ ich das Zimmer. Fast hätte ich ihm beim Herausgehen noch ein tröstendes »Kopf hoch, schon bald ist alles wieder Mumpf!« zugerufen. Ließ ich dann aber doch lieber sein.
    Vor Jüjüs Bürotür schnaufte ich noch einmal tief durch und klopfte dann energisch an. Energisch deshalb, weil: Wenn man energisch ist, dann muss man im Zweifelsfall nicht so viel erklären. Und wenn, dann tut man auch das automatisch überzeugender, weil eben energischer. Zumindest in der Theorie. Na ja, wie auch immer, ich klopfte also energisch an, nachdem ich noch mal tief durchgeschnauft hatte. So weit, so gut. Auf mein Klopfen hin von drinnen kein Ton. So weit, noch besser. Dann mal

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