KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
Schubladen herum!«
Ich tippte auf den Warhol hinter dem Schreibtisch, zum einen wegen Jüjüs praktischer Ordnungsliebe und der kurzen Wege und so, zum anderen, weil das Bild bei näherer Betrachtung anders an der Wand befestigt war als die anderen, nämlich: mit einem Scharnier. Trippel-Bingo! Ich klappte das Bild zur Seite, und da war er, der Tresor. Satt glänzend, mit Zahlenschloss, wuchtig, stabil und – abgeschlossen. Scheiße!
Eigentlich gab’s jetzt nur eine Chance, wenn auch eine winzig kleine: das Geburtsdatum des Herrn Lappé als Schlüsselkombination für den Tresor! War auf jeden Fall einen Versuch wert, denn wer kann sich schon diese ewigen Geheimzahlen, Passwörter und Sicherheitscodes merken, die man heute für jeden Mist braucht? Und andererseits: Wer vergisst dagegen schon seinen Geburtstag? Zumindest als Mann?
Das gesuchte Datum fand ich in der Schublade des Schreibtischcontainers, im Hängeregister mit Jüjüs altem Führerschein und Jüjüs Passbild aus vergangenen Zeiten. Geburtsdatum: 22. September 1954. Nichts wie zurück zum geschlossenen Tresor. 22 rechts, 9 links, 1 rechts, 9 links, 5 rechts, 4 links ... ein leises »Klick« und auf die Tür – Fort Knox war geknackt und ich der Held des Tages. Was ich immer schon geahnt hatte, war jetzt gewiss: Gegen mich war Sherlock Holmes nichts weiter als ein feuchter Affenfurz!
Im Safe fand ich als erstes Bargeld: Es waren etwa 20.000 Euro, und damit ziemlich genau das nötige Kleingeld, wie unsereiner es für alle Fälle im Tresor bewahrt – man wusste ja nie und war nicht gerne klamm! Der weitere Inhalt des Tresors bestand aus irgendwelchen Schriftstücken, die auf die Lektüre durch neugierige Detektive warteten. Aber das war längst noch nicht alles!
24
Wenn ich nicht ohne jegliche Einladung in einem fremden Büro gesessen hätte, die Nase in Papieren, die mich nichts angingen, dann wäre die Lektüre von Jüjüs Tresor-Geheimnissen eine ganz vergnügliche Schmökerstunde gewesen: Die blitzblanke Designerlampe warf ihr warmes, teures Licht auf die aufgeräumte Schreibtischplatte und das, was ich zu lesen bekam, war aufschlussreich. Ich war fast geneigt, mir aus dem Humidor vom Couchtisch eine der fetten Cohibas zu greifen, die ich schon einmal schätzen gelernt hatte. Aber das ließ ich dann doch lieber sein und vertiefte mich stattdessen wieder in die Papiere: Es waren Gutachten eines gewissen Professor Dr. Dr. Otmar Hünerbein (nicht gelogen!), Spezialist für kosmetische und Unfall-Chirurgie. Kollege Hünerbein bestätigte lang und breit und in zwei Fällen die »insgesamt sach- und kunstgerechte Ausführung kosmetischer Eingriffe«, die sein geschätzter Kollege Dr. Hans-Jürgen Lappé höchstselbst vorgenommen hatte. Daraus schloss ich, dass eben diese Eingriffe ordentlich in die Hose gegangen waren, denn: Hätte man sonst so sehr betonen müssen, wie gekonnt sie ausgeführt worden waren? Aber sie hatten es ja auch nicht gerade leicht, diese Herren mit den scharfen Messern. Wenn einem Klempner mal die gerade montierte Muffe von der Leitung flog, okay, war nicht schön, sprach nicht gerade für die handwerklichen Fähigkeiten und gab eine ordentliche Überschwemmung. Aber, hey!, ließ sich doch alles reparieren, oder? War dagegen natürlich eine ganze andere Sache, wenn einem Schönheitschirurgen nicht die Muffe, sondern die Naht platzte und aus prallen Reiterhosen keine traumhaften Oberschenkel, sondern hässliche Mondlandschaften mit Dellen und Kratern wurden. Da braucht es dann schon mehr als ein paar tröstende Worte und die lässig herübergereichte Visitenkarte der Versicherung. Und – heilige Zickzacknaht! – für mich stand eindeutig fest: Der Herr Doktor hatte danebengegriffen. Hatte einer ziemlich bekannten Fernsehmoderatorin einen geschwollenen Riechkolben verpasst, der auch nach Wochen der Geduld und des guten Zuredens nicht auf das ersehnte Stupsnäschenformat schrumpfen wollte und – im anderen Fall – die Brüste einer jungen Frau zwar auf die gewünschte Körbchengröße gebracht, jedoch: Unglücklicherweise schielten sich nach der Operation ihre erogenen Zonen so feindselig an, als hätten sie sich noch nie leiden können. In meinen Augen sah ein »sach- und kunstgerechter kosmetischer Eingriff« anders aus. Und ich war anscheinend nicht der Einzige, der das so sah: In beiden Fällen hatte man sich nämlich, wie die beigefügten, streng vertraulichen Vereinbarungen ergaben, »gütlich verglichen«. Insgesamt
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