KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
schönen Schreibtisch, angelte mir eine schöne Zigarre aus dem Humidor und zündete sie mir schön langsam an. Heiliger Rauchkringel – das Leben wurde doch immer dann besonders angenehm, wenn es auch besonders unvernünftig wurde! Was für ein Pech für die, die stets vernünftig waren: Saßen auf ihrer Vernunft wie auf gepackten Koffern, bereit zur großen Abenteuerreise, die sie nie antreten würden!
Sonia hatte mir ein paar Infos und Unterlagen in einer schwarzen Unterschriftenmappe zurechtgelegt, war jetzt im Vorraum und lackierte sich die Fingernägel. War zwar nicht viel los in meinem Schnüfflerladen an diesem späten Nachmittag, dafür aber eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre. Alles in allem.
Schwebend in Havanna-Wolken machte ich mich daran, den Papierkram zu erledigen. Als erstes fiel mein Blick auf eine Rechnung des Hausmeisters. Fing schon mal prima an! Kurz und bündig forderte der Spaßvogel 93,50 Euro inklusive Mehrwertsteuer für Malerarbeiten, oder besser: für die Korrektur seiner verkorksten Malerarbeiten. Anscheinend nahm er es mir übel, dass ich nicht so hieß, wie er es auf die Tür gepinselt hatte, und wollte dafür jetzt Satisfaktion. Der Rauch meines pummeligen, kubanischen Liebchens biss mir ins rechte Auge, eine Träne tropfte satt auf das Papier in meiner Hand, kullerte eifrig gen Süden und machte dabei aus der geforderten Rechnungssumme das, was sie für mich eh schon war: Tintengeschmiere. Ich legte die Zigarre auf die Schreibtischkante, wo sie weiterhin vergnügt und unschuldig vor sich hin qualmte, und rieb mir mit dem Handrücken das tränende Auge. So war das nun Mal im Leben: Es gab keine Leidenschaft ohne feuchte Augen!
Der nächste Schrieb war eine Werbung vom besten Optiker am Platze. Vertrieb jetzt anscheinend auch Hörgeräte der neuesten Generation. Ein grauhaariger Endfünfziger strahlte mich in Hochglanz an, seine Augen voller Vorfreude auf ungetrübten Hörgenuss. »Bin noch ein ganz schön attraktiver Knochen, was?«, rief er mir und allen älteren Damen zu. »Aber das ist noch gar nichts. Wartet nur, bis ich Euch wieder richtig hören kann!« Wirst dich noch wundern, dachte ich, und bei dem, was die Leute den lieben langen Tag so von sich geben, als Erstes den Knopf zum Ausschalten suchen!
Sonia erschien in der Tür. Ihre zehn frisch lackierten Fingernägel leuchteten rot, genauso wie die zehn Fußnägel in den zierlichen Riemchensandalen. Zwanzig Ausrufezeichen, zwanzig flammende Antworten auf Fragen, die ich nicht zu stellen wagte.
»Hier ist die Rechnung für Herrn Lappé«, sagte sie. »Soll ich sie heute noch rausschicken?«
»Nein, die übergebe ich ganz persönlich.«
Sie nickte und legte den Umschlag auf meinen Schreibtisch.
Ich nahm ihn und steckte ihn in die Innentasche meines Sakkos. Die Rechnung schmiegte sich an meine Brust und knisterte leise bei jeder Bewegung. Ein schönes Gefühl.
»Wenn nichts mehr anliegt, würde ich jetzt gerne gehen, Chef. Ist das Okay?«
»Klar! Schönen Abend noch!«
»Ach übrigens: Wir haben wahrscheinlich zwei neue Klienten. Ein leitender Angestellter, dessen Frau wir beschatten sollen. Sie geht angeblich mit einem Nachbarn fremd. Und als zweiten den Besitzer eines Zahnlabors, der vermutet, dass sein krankgeschriebener Meister nebenbei schwarzarbeitet.«
Toll. Wenn sich das nicht nach Abwechslung und Abenteuer pur anhörte!
»Ich habe die beiden auf nächste Woche vertröstet«, fuhr Sonia fort. »Wegen ›dringlicher Fälle, vor deren Abschluss wir stehen‹. Muss ja nicht gleich jeder wissen, dass wir momentan ... ähm ... noch gewisse Kapazitäten freihaben, oder?«
Das schätzte ich an Sonia besonders, mal abgesehen von allem anderen, was sie zwischen lackierten Fuß- und Fingernägeln sonst noch so zu bieten hatte: Sie tauschte unbekümmert die allgemeine Wahrheit gegen ihre eigene, so wie man einen verwelkten Blumenstrauß durch einen frischen ersetzt. Und brachte einen dann ganz selbstverständlich dazu, sich über die schönen, bunten Blüten zu freuen.
»Bestens!«, sagte ich. »Schreiben Sie mir die Termine in meinen Kalender?«
»Schon erledigt!«
»Also, dann noch mal schönen Abend!«
»Wünsche ich Ihnen auch!«
Fünf Minuten später hörte ich, wie die Tür hinter Sonia ins Schloss fiel. Dann war es still. Normalerweise machte es mir gar nichts aus allein zu sein. Im Gegenteil. Aber manchmal eben doch. So wie jetzt. Es war irgendwie komisch: Ein sicheres Zeichen dafür, dass man jemanden
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