KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
rein in die gute Stube!
Das Büro war picobello aufgeräumt wie schon beim letzten Mal. Der Schreibtisch ein einziges Stillleben, alles fein arrangiert, alles an seinem Platz. Wie angenehm, ich mag es nämlich, wenn ich mich beim Herumschnüffeln nicht auch noch durch einen Berg von Unordnung quälen muss! Das Schnüffeln selber war mir schon ein Gräuel. Fand ich ungefähr so spaßig, wie mit bloßer Hand gestrandete Feuerquallen ins Meer zurückzuwerfen. Weil ich ziemlichen Schiss hatte, beim Herumkramen in fremden Sachen erwischt zu werden und weil es dann erfahrungsgemäß mit einer überzeugenden oder wenigstens halbwegs akzeptablen Ausrede meistens ziemlich mau aussah. Schließlich, was sollte man sagen? Etwa: »Ach, entschuldigen Sie, aber ich dachte im Moment, das wäre mein Computer. Ist nämlich genau so viereckig?« Oder: »Ich hab’s bis jetzt ja nicht glauben wollen, aber diese Hängeregister sind wirklich verdammt praktisch. Muss ich mir auch besorgen?« Oder vielleicht: »Ich dachte, bevor Sie sich die Mühe machen, das ganze Zeug für mich herauszusuchen, mache ich mich schon mal nützlich?« Aber egal, war ja keiner da außer mir und es würde auch in der nächsten halben Stunde hoffentlich niemand kommen.
Ich setzte mich auf Jüjüs ledernen Chefarztsessel und fühlte mich, trotz Schiss, schon gleich viel erhabener. Dann klappte ich den silbernen Laptop mit dem fruchtigen Logo auf. Der Bildschirm erwachte nach einem kurzen Blinzeln aus seinem Dämmerschlaf und – siehe da! – auf der Festplatte ging es genauso ordentlich und aufgeräumt zu wie auf der Schreibtischplatte. Fein! Allerdings: Trotz aller Ordnung war nichts Erhellendes zu finden. Noch mal kurz ins E-Mail-Programm geschaut: Termine, Konferenzen, eine Anmeldung zu einem Kongress in Zürich für das folgende Wochenende. Mit anschließendem Besuch des Opernhauses. Interessant: Laut Programm erwarteten in der Schweiz »Die Meistersinger von Nürnberg« die Schneidemeister aus Deutschland. Na, da würde man sich über die Schnittmuster der nächsten Saison bestimmt schnell einig werden! Nicht uninteressant, dieser Termin, aber für den Moment auch nicht weiter ergiebig, also Klappe wieder zu ... schlaf schön weiter, angebissenes Äpfelchen!
Vielleicht war ja im Schreibtischcontainer etwas zu finden. Mal sehen. In der unteren Schublade drängelten sich die Hängeregister. Wusste ich’s doch! Inhalte schnell überflogen: ellenlange Manuskripte und Gutachten und jede Menge Quittungen für Speis’ und Trank. Die Summen fand ich reichlich verwegen, und die Lokalitäten, in denen sie verkonsumiert worden waren, kamen mir sämtlich unbekannt vor. Aus »Selims Döner-Oase« waren jedenfalls keine Belege dabei. Aber vielleicht waren es ja auch keine der üblichen Restaurants, in denen Jüjü angelegentlich so verkehrte? Und vielleicht war es weniger das Essen, sondern der Nachtisch, der immer so ungeheuer ins Geld ging? Konnte ja sein. Amüsant war der nächste Fund: ein alter deutscher Führerschein, grau und zerfleddert, mit einem Jugendfoto von Jüjü, jung und pickelig und zum Schießen. Nicht weniger amüsant – zumindest wenn man über den entsprechenden Humor verfügte – war das Manuskript für einen Vortrag über »Körperformung mit modellierender Fettabsaugung – unter Anwendung der modernsten Verfahren: Feinkanülentechnik, Ultraschall, superfizielle Technik, Tumeszenzmethode« sowie der Entwurf eines Prospekts über das aktuelle Angebot von Jüjüs Sanatorium: größere Brüste, kleinere Brüste, straffere Brüste, Glutealaugmentation für einen knackigeren Po, Intimchirurgie, Facelifting. Und für den Herrn: eine Penisvergrößerung – immer wieder gerne genommen! Verkleinern war in diesem Fall nicht im Angebot. Alles in allem eine ellenlange Liste perfekter Körperteile, wie aus dem Baukasten. War schon irre, was man so alles machen konnte, um der blöden Natur mal zu zeigen, wie man Menschen richtig zusammenbaut! Brachte mich jetzt aber auch nicht weiter, also Schublade wieder zu.
»Und jetzt mal gründlich nachgedacht«, sagte ich zu mir selber, »streng dich an, Arno! Wenn jemand überhaupt brisante Unterlagen zu verwahren hat, und wenn dieser jemand über so ein tolles Büro verfügt wie Jüjü, wo bewahrt er sie dann wohl auf, diese Unterlagen? Was hat er denn dann wohl in seinem Büro, hmmm? Bingo, natürlich einen Safe! Und wo? Doppelbingo, natürlich hinter einem Gemälde! Und du Dussel stöberst in albernen
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