KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
bekömmlich wie vergiftete Pralinen.
»Der Typ bedankt sich, Frau Lappé. Und der Mann ist über alle Maßen enttäuscht.«
Sie lachte. Und zwar zum allerersten Mal, seit ich sie kannte, wenn ich es genau bedachte. Dann beugte sie sich vor, nahm ihr leeres Glas wieder in die Hand und hielt es in die Höhe.
»Wollen Sie auch noch einen?«
»Danke. Hab’ noch.«
Sie verschwand im Haus, um Nachschub zu tanken und kehrte nach kaum einer Minute auf die Terrasse zurück.
»Wo waren wir stehen geblieben?«, sagte sie, nachdem sie wieder neben mir Platz genommen hatte. Ihr Hosenrock rutschte diesmal nicht annähernd so weit nach oben wie beim ersten Mal. Anscheinend hatte sie heimlich geübt. Schade.
»Bei der Frage, was ich denn nun Ihrem Mann über meine Ermittlungen erzählen werde.«
»Ach ja, genau! Wissen Sie, ich habe es mir überlegt: Ich werde diese Entscheidung Ihnen überlassen. Allerdings wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie meine Tochter nicht erwähnen und den Unfall meines ... Vaters ... nicht wieder aufwärmen würden. Und, noch wichtiger: Wenn Sie Toni Mooseder aus dem Spiel ließen. Er hat mit der ganzen Sache nichts zu tun, glauben Sie mir.«
»Sie halten es also nicht für möglich, dass er diesen Brief geschrieben haben könnte?«
Sie ließ mit einer geübten Bewegung die Sonnenbrille aus dem Haar auf ihre ungewöhnlich schlanke Nase gleiten und schüttelte den Kopf, aber nicht etwa überrascht, wie ich es erwartet hätte, oder heftig, wie ich es vermutet hätte, oder empört, wie ich es verstanden hätte. Sondern eher so, als wäre ihr diese Möglichkeit durchaus auch schon durch den Kopf gegangen und dann, eiskalt abgewogen, endgültig in der untersten Schublade des sichersten Schranks des entlegensten Kellers abgelegt worden.
»Toni würde nie etwas tun, was mir schaden könnte! Und ich glaube, das wissen Sie längst genauso gut wie ich, oder? Nein, nein, was diesen Briefeschreiber angeht, da müssen Sie schon ganz woanders suchen.«
»Und wo, Ihrer Meinung nach?«
Sie schwieg. Leider konnte ich ihre Augen hinter den dunklen Brillengläsern nicht sehen. Und das bedauerte ich, denn ich war mir ganz sicher, dass mir das sehr geholfen hätte.
»Ich muss zugeben, dass Sie bisher gute Arbeit geleistet haben, Herr Katz«, sagte sie schließlich und zeigte dabei wieder ihre makellosen Raubtierzähne. »Aber Sie sind trotzdem auf dem Holzweg.«
»Inwiefern?«
»Das müssen Sie schon selbst herausfinden, Sie sind schließlich der Detektiv, oder? Nur soviel: Nicht immer ist der Gute ausschließlich der Gute, der Böse ausschließlich der Böse und der Unschuldige wirklich völlig unschuldig. Manchmal ist die Realität sehr viel komplizierter. Manchmal geht es zum Beispiel um so etwas wie grundlegende Vereinbarungen, die nicht einfach einseitig aufgekündigt werden können. Ich denke, Sie werden schon herauskriegen, was ich damit meine. Wenn wahrscheinlich auch nicht auf Anhieb!«
Schon wieder eine ihrer Giftpralinen! Bevor die letale Dosis erreicht sein würde, wollte ich mich lieber auf den Weg machen. Es gab sowieso im Moment nichts mehr zu sagen, dafür umso mehr nachzudenken. Und das machte ich lieber in Ruhe, alleine und im stillen Kämmerlein.
Wir verabschiedeten uns. Sie bot mir an, mich zur Tür zu begleiten. Das wäre zwar nett, aber nicht nötig, sagte ich, weil ich den Weg schon ganz alleine finden würde.
Als ich mich in der gläsernen Terrassentür noch einmal zu ihr umdrehte, sah ich, dass sie die Sonnenbrille wieder in ihr Haar geschoben und mich anscheinend schon völlig vergessen hatte. Gedankenversunken saß sie auf dem Gartenstuhl und nahm einen kräftigen Schluck aus ihrem Whiskeyglas, während mein alter Freund, der dralle Kater, mit zuckend aufgerichtetem Schwanz an ihren Beinen herumbuckelte.
Auf dem Weg zu meinem Auto kam ich noch einmal am Porsche Cayenne vorbei, der mit geöffneter Heckklappe direkt vor der Haustür stand. Aus dem Kofferraum roch es nach Duftspray Marke »Fliederfrisch«. Und nach Hundepisse.
Dann für heute noch ein letzter Blick auf Jüjüs Prachthütte. Im ersten Stock verschwand Vanessas blasses Gesicht ruckartig hinter der Gardine, als unsere Blicke sich kurz trafen. Irgendwie waren diese Lappés doch ein ziemlich durchgeknallter Verein, dachte ich, lauter offene Starkstromleitungen, unter Spannung, dass es knisterte.
Und ich war neugierig auf den ersten Kurzschluss.
22
Zurück in meinem schönen Detektivbüro setzte ich mich an meinen
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