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KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

Titel: KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Zipfel
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nahm ich meine kleine Geheimkamera aus der Jackentasche und fotografierte die Seiten einfach ab. Sie schienen zwar nicht mehr aktuell zu sein, aber man konnte ja nie genug interessante Informationen sammeln.
    Dann steckte ich die Dokumente zurück in den Umschlag und nahm mir den nächsten vor. Mit spitzen Fingern (Fingerabdrücke!) zog ich den Inhalt heraus: die Kopie eines Ehevertrags, oder genauer: der Neufassung eines bereits bestehenden Ehevertrags zwischen Maria und Dr. Hans-Jürgen Lappé, wie aus dem Betreff des Begleitschreibens hervorging. Und eines fiel sofort auf, schon beim ersten, oberflächlichen Durchblättern: Zahlreiche Passagen des Dokuments waren in feurigem Orange markiert worden, jeweils begleitet von erschreckten Ausrufezeichen am Rand der Seite. War für mich natürlich ganz praktisch, weil es mir die spätere Lektüre sehr erleichtern würde. Ich bräuchte mich im Wesentlichen ja nur auf diese markierten Textstellen zu konzentrieren. Interessant war, dass von gegenseitigem Einvernehmen der Eheleute anscheinend keine Rede sein konnte. Vielmehr schien Maria Lappé die treibende Kraft für die Vertragsänderungen zu sein, die Jüjü so eindeutig markiert und moniert hatte. Warum? Weil seine Unterschrift fehlte, während die Signatur seiner Gattin den Vertrag bereits sichtbar zierte! Würde ich alles noch ganz genau klären, keine Frage. Aber eben erst später. Jetzt begnügte ich mich damit, den Vertragsentwurf Seite für Seite abzufotografieren.
    Als Nächstes fiel mir ein »Antrag auf Spielersperre/Selbstsperre beim Spielkasino Bad Wiessee« in die Hände, zwar ausgefüllt, aber anscheinend nicht abgeschickt. War nämlich das Original, das ich gerade in der Hand hielt. Der Eindruck drängte sich auf, dass es in Jüjüs Lebenslauf die eine oder andere hässliche Narbe gab, der auch mit einer gekonnten kosmetischen Operation nicht beizukommen war. Na ja, aber so ganz alleine war er da ja wohl nicht.
    Dann nahm ich mir das letzte Dokument vor. Ein weißer Umschlag, DIN A4 mit jeder Menge hingekritzelter Zahlen drauf. Worauf sich die Zahlen bezogen? Höchstwahrscheinlich auf den Inhalt des Umschlags, nahm ich an. Und da lag auch der Haken: Gab keinen Inhalt, denn der Umschlag war leider leer. Ich konnte nicht leugnen, dass mich diese Tatsache ärgerte und gleichzeitig meine Neugier anstachelte. Andererseits: Ich hatte in diesem Augenblick nicht genug Muße, um genauer darüber nachzudenken. Zur Sicherheit machte ich deshalb auch vom Umschlag samt Zahlen ein paar aussagekräftige Fotos.
    Ich hatte alles gerade wieder in der richtigen Reihenfolge – war ja klar! – an seinen Platz gelegt, als er mir auffiel, dieser bescheidene und unscheinbare Plastikbeutel in der hintersten, linken Ecke des Tresors. Er war durchsichtig und bis weit über die Hälfte gefüllt mit einem weißen Pulver, für das es drei mögliche Erklärungen gab: 1. Jüjü hatte die Ratten im Haus, 2. Jüjü backte zur Entspannung abends öfter mal einen Kuchen mit reichlich Backpulver oder 3. Jüjü entfachte, ebenfalls zur Entspannung, gerne ab und zu ein Schneegestöber. Es gab nur eine Möglichkeit, die Wahrheit herauszufinden: mit der linken Hand die Tüte greifen, dabei parallel den rechten Zeigefinger anfeuchten, rein damit in die Tüte und – lutsch, lutsch – danach ordentlich ablecken. Für die Wirkung, die nach ein paar Sekunden einsetzte, gab es wiederum drei Erklärungen: 1. Ich war eben doch keine Ratte, 2. Das Verfallsdatum für das Backpulver war längst abgelaufen oder 3. Jüjü war Wintersportfan! Ich sah ihn förmlich vor mir, den kleinen Genießer, wie er nach des Tages harter Arbeit, die Nase voller Pulverschnee, euphorisch und in weiten Schwüngen hinabrauschte ins Tal der bunten Illusionen.
    So sinnierte ich feixend vor mich hin, als mir ein Geräusch ins Ohr drang, das ich im Moment überhaupt nicht brauchen konnte: Schritte, die mit erschreckender Geschwindigkeit näher kamen, genau auf die Bürotür zu, hinter der ich stand, jetzt reichlich ratlos und mit betäubter Zungenspitze.

25
    Ich hatte kaum die Tresortür geschlossen, das Bild wieder an seinen Platz zurückgeklappt, die Schreibtischlampe ausgeschaltet und mich mitsamt der Plastiktüte hinter der Rückenlehne des ausladenden Sofas verschanzt, als die Tür geöffnet wurde. Gleich würde das Licht angehen, die Person, wer immer sie war, würde sich – misstrauisch schnuppernd wie ein wachsames Erdhörnchen – im Zimmer umschauen, und dann würde

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