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KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

Titel: KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Zipfel
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knappen Meter von mir entfernt vollzog, warf für mich zwei grundlegende Fragen auf: Wozu war das Ganze eigentlich gut, und wann würden die beiden endlich zum Schluss kommen?
    »Ja, ja, ja, jaaaaaaaaaaaaaaaaah!«
    »uuurrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrggg. Ah!«
    »Hmmmmmmmmmmmhhh. Jaaaa, jaaaaaaa! Ja! Ja! Ja!
    »Uh! Uh! Uh! Uh!«
    »Ah! Ah! Ach! Ach! Jaaaaaa!«
    »Hmmm! Hmmm! Uh! Uh! Rrrrrrrggg!«
    Junge, Junge, machte ich im Falle eines Falles etwa auch so komische Geräusche? Das heißt: Wenn sich mal eine der eher seltenen Gelegenheiten dazu ergab? Ich nahm noch ein kleines Fingerküppchen und begann, teils aus Interesse, teils aus Langeweile, mich auf die Nuancen zu konzentrieren: Sie zwitscherte, seufzte, gurrte, lockte, wehrte und ergab sich, japste, vibrierte und stellte ständig Quittungen aus für das, was sie empfing. Er brummte ziemlich eintönig und schlug allenfalls die Mehrwertsteuer drauf.
    »Jaaaaaaaa! Jaaaaaaaaa! Jaaaaaaaaaa! Jetzt! Guuuuuut!«
    »Uh! Uh! Uh! Orrrh! Orrrrh! Orrrrrh!«
    »Jaaaaaaaa! Jaaaaaaaaa! Jaaaaaaaaaa!«
    »Uh! Uh! Uh!«
    »Ja! Ja! Ja! Ja! Ja! Ah! Ah! Ah! Fester! Jaaaaaaa!«
    »Uh! Uh! Oooh! Uuuuuch!«
    Aus der beschleunigten Frequenz von Stöhnen, Grunzen, Seufzen und Schmatzen schloss ich, dass sie langsam auf die Zielgerade einbogen. Und ich war gespannt, wer von beiden am Ende wohl gewinnen würde.
    »Jaaaaaaaaiiiiiiiiiiiiichchchchchch! Ja! Ja! Hmmmmmmmmmm!«
    »Uh! Uh! Uh! Uh! Oooorrrrrrrrppfffffff! Om!«
    Einen endlosen Moment lang war nichts zu hören außer Schweigen. Und ich lag da, das rechte Bein ein einziger kribbelnder Ameisenhaufen, die Zunge immer noch taub, und nicht nur sie, mit dem Finger in der Tüte und zu Eis erstarrt, damit jetzt bloß nichts knisterte!
    »Das war so guuuuut. Für dich auch?« sagte sie endlich.
    »Klar, Mausi! Wie immer. Bist wirklich ein scharfer Käfer. Äh, haste mal ein Taschentuch für mich?«
    Ein Schmatzen hier, ein Schmatzen da. Nachspiel. Dann zogen sie sich wieder an. Ich hörte, wie sie ihren Rock glatt strich. Ich hörte, wie er den Reißverschluss seiner Hose zuzog. Und dann hörte ich – endlich! – wie beide aufstanden und den Raum verließen.
    Ich kroch hinter dem Sofa hervor wie der letzte Überlebende eines atomaren Weltkriegs, humpelte mit kribbelndem Bein zum Schreibtisch, klappte das Bild zur Seite, öffnete die Tresortür, und deponierte – natürlich nicht ohne eine Fingerkuppe für den langen Heimweg – die Pulvertüte wieder dort, wo sie hingehörte. Dann Tresor wieder zu, Bild wieder zurück, noch mal nach verräterischen Spuren geschaut, Bürotür vorsichtig auf und Kopf ganz unverbindlich in den Flur gesteckt. Keiner da, Luft war rein, nix wie weg!
    Als ich an der geöffneten Tür vorbeikam, hinter der ich mir vorhin so brav ein Autogramm hatte geben lassen, sah ich, dass sich immer noch zwei gerührte, himmelblaue Augen selber auf dem Monitor betrachteten. Ich wusste nicht, ob ich das lustig oder traurig finden sollte. Ich wusste noch nicht einmal genau, ob es Realität war oder ob ich gerade durch eine Zeitschleife stolperte.
    Ich lugte vorsichtig um die Ecke. Am Empfangstresen war niemand zu sehen. Wunderbar!
    Als ich das Sanatorium stolzen Schrittes und erleichtert durch das Hauptportal verließ, knisterte die Rechnung für Jüjü Lappé noch immer unbezahlt an meiner Brust. Machte aber gar nichts, denn ich fühlte mich in diesem Moment so lebendig, hell und leistungsfähig wie noch nie! Musste ich zugeben.

26
    Auf der Fahrt nach Hause fing es an zu nieseln. Im Licht der Scheinwerfer und Straßenlampen glitzerten und flimmerten die winzigen Regentröpfchen durch die Luft, stippsten in Zeitlupe auf die Frontscheibe, ganz leicht, so als wollten sie nicht weiter stören, und ließen sich dann bereitwillig vom Scheibenwischer beiseiteschieben. Wirkte irgendwie so harmlos und lustig.
    Harmlos und lustig! Das war so ziemlich genau das, was man von meinen Entdeckungen in Jüjüs Tresor nicht behaupten konnte. Im Gegenteil: Hans-Jürgen Lappé schien sich als recht vielschichtige, wenn nicht gar schillernde Figur zu entpuppen: Hatte anscheinend eine Geliebte, die mit »S.« unterschrieb und ihn bestrafte, wenn er wieder einmal ein besonders böser Junge gewesen war. Na ja. Besonders die mächtigen und einflussreichen Männer ließen sich, als Ausgleich quasi, gerne mal den Hintern verhauen. Kannte man ja. Und einflussreich schien Jüjü zu sein oder wenigstens doch gewesen zu sein. Immerhin hatte er an geheimen

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