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Katz und Maus

Katz und Maus

Titel: Katz und Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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dann, über gedämpftem Gepolter, aber ohne Stocken, die gesamte Pfingstsequenz »Veni, Sancte Spiritus« und danach – ich hatte darauf gewartet – die Sequenz des Freitag vor Palmsonntag herunterzubeten. Alle zehn Strophen vom »Stabat Mater dolorosa« bis »Paradisi gloria« und dem »Amen«, leierte er wie am Schnürchen; ich, der vormals eifrige, später nur noch sporadisch bei Hochwürden Gusewski aufkreuzende Ministrant, hätte allenfalls die Strophenanfänge zusammenbekommen.
Er aber schickte sein Latein mühelos zu den Möwen hoch, und die anderen: Schilling, Kupka, Esch, Hotten Sonntag, wer sonst noch dabei war, richteten sich auf, hörten zu, sagten ihr »Jungejunge« ! ihr »Dableibtdirdiespuckeweg« und baten Mahlke, das »Stabat Mater« zu wiederholen, obgleich den Jungs nichts ferner lag, als Latein und Kirchentexte. Du hast, glaube ich, dennoch nicht vorgehabt, die Funkerkabine in ein Marienkapellchen zu verwandeln. Die meisten Klamotten, die nach unten wanderten, hatten mit ihr nichts zu tun. Obgleich ich nie Deine Bude besichtigt habe - wir schafften es einfach nicht – stelle ich sie mir als verkleinerte Ausgabe Deines Mansardenzimmers in der Osterzeile vor. Nur die Geranien und Kakteen, die Deine Tante, oft gegen Deinen Willen, aufs Fensterbrett und auf vielstufige Kakteenpodeste gestellt hatte, fanden in der ehemaligen Funkerkabine keine Entsprechung, aber sonst war der Umzug perfekt. Nach den Büchern und den Kochutensilien mußten Mahlkes Schiffsmodelle, der Aviso »Grille« und das Torpedoboot der Wolf-Klasse, Maßstab 1:1250, unter Deck umziehen. Tinte und mehrere Federhalter, ein Lineal, Schulzirkel, seine Schmetterlingsammlung und die ausgestopfte Schnee-Eule zwang er zum Mittauchen. Ich nehme an, daß Mahlkes Mobiliar in dem mit Kondenswasser beschlagenen Kasten nach und nach unansehnlich wurde. Besonders müssen die Schmetterlinge in verglasten Zigarrenkisten, die nur trockene Mansardenzimmerluft gewohnt waren, unter der Feuchtigkeit gelitten haben. Aber gerade das Sinnlose und bewußt Zerstörerische des tagelangen Umzugspiels bewunderten wir; und Joachim Mahlkes Fleiß, nach und nach Bestandteile eines ehemaligen polnischen Minensuchbootes, die er zwei Sommer zuvor mit Mühe abmontiert hatte, wieder dem Boot zurückzugeben - den guten alten Pilsudski, die Bedienungsschildchen verpflanzte er nach unten – lief? uns trotz der lästigen und kindischen Tertianer abermals einen unterhaltsamen, sogar spannenden Sommer auf jenem Kahn klein bekommen, für den der Krieg nur vier Wochen gedauert hatte.
Um ein Beispiel zu nennen: Mahlke bot uns Musik. Jenes Grammophon, das er im Sommer vierzig, nachdem wir mit ihm den Weg zum Kahn vielleicht sechs- oder siebenmal geschafft hatten, aus dem Vorschiff oder der Offiziersmesse in mühevoller Kleinarbeit hochgeholt, in seiner Bude repariert und mit neuem filzbezogenen Plattenteller versehen hatte, verstaute er mit einem Dutzend Schallplatten so ziemlich als letztes Umzugsgut unter Deck, und konnte sich während der zwei Tage dauernden Arbeit nicht verkneifen, die Kurbel des Kastens am altbewährten Schnürsenkel um den Hals zu tragen.
Grammophon und Platten müssen die Reise durchs Vorschiff, durch das Schott zu den Räumen mittschiffs und hoch in die Funkerkabine gut überstanden haben, denn noch am gleichen Nachmittag, an dem Mahlke den etappenweisen Transport beendet hatte, überraschte er uns mit hohler, nachscheppernder, von hier und dort, immer aber aus dem Innern des Kahns kommender Musik. Das mochte Nieten und Verschalung lockern. Das gab uns, obgleich die Sonne immer noch, wenn auch schräg auf der Brücke stand, eine schrumpfende Haut. Natürlich prusteten wir: »Aufhören! Sollweitermachen! Leg noch eine auf!« und durften ein kaugummilanges und berühmtes Ave Maria hören, das die kabbelige See glättete; ohne die Jungfrau tat er es nicht.
Und dann Arien, Ouvertüren – sagte ich schon, daß Mahlke viel für ernste Musik übrig hatte? – jedenfalls bekamen wir etwas Aufregendes aus »Toska«, etwas Märchenhaftes von Humperdinck und ein Stück Symphonie mit Dadada Daaah, das uns aus Wunschkonzerten geläufig war, von innen nach außen geboten.
Schilling und Kupka schrien nach etwas Schrägem; aber das hatte er nicht. Erst als unten die Zarah aufgelegt wurde, machte er den dollsten Effekt. Ihre Unterwasserstimme warf uns platt auf Rost und buckligen Möwenmist. Weiß nicht mehr, was sie sang. War ja alles mit dem gleichen Öl

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