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Katzendaemmerung

Katzendaemmerung

Titel: Katzendaemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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Durcheinanders wirkte die klare Gerichtetheit der Decke wie eine Gerade in einem Wust aus Wellen. Hinter diesem Chaos steckte eindeutig Methode.
    Mit einem einzigen Ruck zog ich den langen Zopf vom Bett. Ich erstarrte, noch ehe ich die Decke fallen lassen konnte. Ich entdeckte kein Meer, keinen Strom aus Blut, nicht einmal eine Pfütze. Der große rotbraune Fleck am Kopfende des Bettes hatte auf mich aber eine beinahe ähnliche Wirkung. Blut! Und es war weit mehr, als Rosalies Kratzer hätten hergeben können. Sehr viel mehr.
    Wie auf überlangen Stelzen torkelte ich vorwärts. In meinen aufgerissenen Augen brannte sich der Fleck förmlich fest. Nein! , war alles, was ich denken konnte. NEIN! Die bloße Existenz dieses dunklen Stigmas drohte die Grundfesten meiner Persönlichkeit zu vernichten. Ich sah etwas, was es eigentlich nicht geben konnte, nicht geben DURFTE .
    Es war grotesk. Trotz all meiner apokalyptischen Fantasien war ich nun nicht einmal mehr dazu bereit, ein blutiges Laken zu akzeptieren, einen einzigen Fleck. Offenbar spürte ich ganz instinktiv, dass meine schrecklichsten Albträume dennoch Gestalt angenommen hatten. Schezemus Blutsee hatte sich in diesen Raum ergossen, und ich watete darin herum. Zwar konnten meine schwachen Augen nur einen winzigen Spritzer an seinem Ufer erkennen, seine zähflüssigen, stinkenden Wogen waren aber zweifelsfrei vorhanden.
    Nein , dachte ich. Nein! NEIN! Es war ein lächerlicher und zugleich hoffnungsloser Versuch, denn alle meine Sinne schrien: JA!
    Schwer atmend wie ein alter Greis beugte ich mich über das Bett und streckte die Hand aus. Das Blut war noch feucht. Die immer noch spürbare Wärme kroch mir wie eine widerliche Kakerlake über die Haut. Als ich den Druck des Fingers leicht verstärkte, erschien augenblicklich ein rot glänzender Kreis um die Stelle.
    Endlich begann ich, zu verstehen. Das, was ich bislang für die wirkliche Welt, die Realität, gehalten hatte, war nichts weiter als eine plumpe Täuschung, eine dünne Haut, hinter der sich das wahre Grauen verbarg. Es existierten keine Dinge wie Schönheit, Liebe, Wahrheit oder Gerechtigkeit, überall sah ich nur hässliche Larven, die sich mit der bunten Haut eines Schmetterlings tarnten.
    Ein jäher Ruck durchfuhr meinen Körper. Muskeln und Sehnen zogen sich wie Stahlkabel zusammen. Ohne einen weiteren Blick auf den bitteren Ort der Offenbarung zu werfen, floh ich aus dem Zimmer. Etwas war in mir zerbrochen, unwiderruflich zerstört; die einzigen Gefühlsregungen, die mich nun noch vorantrieben, waren Verzweiflung, Zorn und Hass. Bastet hatte ihren Schwur gebrochen, und dafür sollte sie jetzt bezahlen.
    Seltsamerweise kam mir die einfachste Lösung nicht in den Sinn: Flucht. Mit dem Flugzeug hätte ich in nur wenigen Stunden Tausende von Meilen zwischen mich und Bastet bringen können. In Europa oder Australien boten sich für mich sicher neue Chancen. Ich hätte dort arbeiten können … und vergessen.
    Aber ich wollte nicht vergessen. Ich war es Joy und Rosalie schuldig. Und ebenso der Seele von Lindsay Quinlan. Ich war mitverantwortlich für das Schicksal dieser Frauen. Wenn ich mir einen letzten Rest von Würde und Selbstachtung bewahren wollte, so musste ich zumindest mit allen Mitteln versuchen, dass kein weiteres Opfer in Bastets oder Sachmets Fänge geriet.
    Um dieses Ziel zu erreichen, gab es nur einen Weg: Ich musste die Katzengöttin vernichten.
     
     

6. Kapitel
     
    »Katzendämmerung«
Yucca Springs, 1990

Während ich kopflos durch die Gänge irrte, sah ich nur noch ihr blutverschmiertes, hämisch grinsendes Gesicht vor mir. Die grausige Fratze eines Monsters. Alle anderen Bilder waren aus meinem Bewusstsein gelöscht.
    »Du wirst sterben, du elende Missgeburt«, stieß ich wutentbrannt hervor. Unkontrolliert öffneten und schlossen sich meine Hände, so, als suchten sie nach einer Waffe. Vielleicht aber gierten sie auch danach, sich um Sachmets Hals zu legen. »Ich werde dich dorthin schicken, woher du gekommen bist«, schrie ich. »In die tiefsten Abgründe der Hölle. Ich habe keine Angst vor dir, hörst du?!« Überrascht spürte ich, wie Tränen über mein Gesicht liefen. Mit einer groben Armbewegung wischte ich sie weg. »Du … du gabst mir ein Versprechen«, stammelte ich in die Stille der Wohnung. »Ich vertraute dir … Für deinen Verrat sollst du auf ewig verdammt sein. Kannst du mich hören, du seelenlose Katze? Hier und jetzt verfluche ich dich. Nichts und niemand wird

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