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Katzendaemmerung

Katzendaemmerung

Titel: Katzendaemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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mich daran hindern, dich zu töten. Und wenn es das Letzte ist, was ich auf dieser gottverlassenen Welt noch tue!«
    In meiner Rage hatte ich nicht bemerkt, dass ich statt zum Treppenhaus in den linken Arm des Korridors gerannt war. An seinem Ende fand ich mich schließlich vor einer wohl vertrauten Tür wieder. Genau hier hatte ich das Tagebuch des Julius Blatchford entdeckt.
    Verwirrt betrachtete ich den schmalen, unscheinbaren Eingang. Auch wenn sich die Welt um mich herum mittlerweile in eine menschenfeindliche, eisige Wüste verwandelt hatte, so glaubte ich doch nicht an das Prinzip des Zufalls. Etwas hatte mich mit voller Absicht an diesen Ort geführt. Und ich würde keine Sekunde zögern, um diesen geheimen Sinn zu entschlüsseln.
    Wie schon damals gab die Pforte nur höchst widerstrebend meinem Druck nach. Entschlossen ging ich zurück und ließ die Tür mit einem einzigen Tritt nach innen bersten. Die Zeit der diplomatischen Umwege war endgültig vorbei.
    Alles, was ich erkennen konnte, waren unförmige, miteinander verschmolzene Schatten; lediglich einige an der Wand lehnende Schaufeln und anderes Gerät wurden teilweise vom trüben Licht des Flures erhellt. Ohne darüber nachzudenken, griff ich nach einem der hölzernen Stiele und zog ihn heraus. Meine Wahl war auf eine Spitzhacke gefallen. In Ordnung , dachte ich. Ich kenne nur eine Stelle, an der dieses Ding sinnvoll eingesetzt werden könnte. Und genau dorthin werde ich jetzt gehen!
    Ich wirbelte herum und stürmte mit großen Schritten den Korridor entlang. Wie ein angreifender Stier hielt ich dabei den Kopf gesenkt. Es gab nur noch den Feind und mich; alles andere verschwamm vor meinen Augen zu undeutlichen Schlieren.
    Ich wusste nicht, ob meine Hand ein Werkzeug oder eine Waffe umklammert hielt. Vielleicht war es auch beides. Wenn ich den Feind aber nicht wie erwartet am Bus antreffen sollte, so verfügte ich immerhin über ein Mittel, um wenigstens nach Rosalies Körper zu suchen. Ich fühlte – nein, ich wusste – dass für das Mädchen jede Hilfe zu spät kam. Somit sah ich es aber als meine heilige Pflicht an, ihr wenigstens ein christliches Begräbnis zu ermöglichen. Ihr, genauso wie Joy.
    Gedanken wie diese waren sicherlich Teil meines Bewusstseins, als ich jedoch mit der Hacke in der Hand schreiend und grunzend zum Ausgang stampfte, konnte ich sie nur erahnen. In mir war kein Platz mehr für Worte. Ich sah und fühlte nur noch ein dunkles Rot – ein alles überdeckendes Blutrot. Das Blut klebte an meinen Fingern, es pochte in meinem Schädel, ja, es war sogar Bestandteil der Luft. In immer dichteren Schwaden hüllte mich ein roter Nebel ein.
    Ich rannte aber einfach weiter. Auch ohne eine klare Sicht konnten meine Sinne den richtigen Weg erspüren. Ich roch ihn, schmeckte ihn. Wie ein hungriges Raubtier folgte ich der Fährte.
    Kaum aber hatte ich die schwere Wohnungstür laut dröhnend gegen die Wand krachen lassen, hinderte mich eine unsichtbare Kraft am Weiterlaufen. Mein wahnhafter Rausch kühlte deutlich ab.
    Erstaunt riss ich die Augen auf. Mit einem Mal war der mich antreibende Blutschleier verschwunden. Meine Sinne nahmen dabei nicht nur meine Umwelt, sondern vor allem mich selbst wieder klarer wahr. Das, was sie empfingen, war allerdings fremd und zutiefst beunruhigend. Mein ganzer Körper schwitzte und zitterte wie im Schüttelfrost, die Atmung erinnerte an das Hecheln und Schnaufen eines großen Hundes. Die gebeugte, verkrampfte Haltung gehörte zu einem urzeitlichen affenartigen Wesen. Ich fühlte nicht mehr mich selbst, sondern einen unzivilisierten Wilden, einen tobenden Höhlenmenschen.
    Barfuß, nur mit einem zerknitterten T-Shirt und Boxershorts bekleidet, stand ich schnaufend im Flur. Als mein Blick auf die Spitzhacke fiel, taumelte ich erschrocken zurück. Ich keuchte, doch nun war es ein Zeichen von Hilflosigkeit und Unverständnis. Nicht einmal auf die obligatorische Keule hatte ich verzichtet.
    Für eine ganze Weile starrte ich nur auf diese mir fremd gewordene Hand. Auch wenn ich meine Gedanken und Handlungen nun wieder halbwegs klar beurteilen konnte, so dauerte es doch eine unheimlich lange Zeit, bis diese fremden Finger meinen Befehl ausführten. Nur höchst widerstrebend lösten sie sich vom Stiel der Hacke. Aufatmend registrierte ich das dumpfe Poltern, als das Gerät zu Boden fiel.
    Was bist du nur für ein hoffnungsloser Idiot , dachte ich frustriert. Begreifst du denn nicht, dass du genau das tust, was

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