Katzendaemmerung
und ein seltsam diffuses Schuldbewusstsein.
Ich drückte die nur angelehnte Tür ganz auf und trat zur Seite. Nicht ohne Grund vergaß ich dabei, das Licht einzuschalten. »Hier ist es«, erklärte ich überflüssigerweise.
Friedlander fixierte mich eine ganze Weile, bevor er schließlich den Raum betrat. Offenbar wollte er abschätzen, ob er es wagen konnte, einem mutmaßlichen Serienkiller den Rücken zuzudrehen.
Als seine Hand den Schalter gefunden hatte, machte er zwei Schritte und blieb dann abrupt stehen. Mit einer schnellen Drehung, die ich seiner kompakten Gestalt nicht zugetraut hätte, fuhr er zu mir herum.
»Was soll das?«, schrie er mich an. »Wo, zum Teufel, ist das ganze Blut, von dem Sie mir erzählt haben? Das ganze Bett … überall ist Rosalies Blut … große Pfützen am Boden … es ist an den Wänden … es tropft sogar von der Decke …«, zitierte er mich wörtlich. »Ich kann nur einen einzigen Fleck entdecken; ein recht großer Fleck zwar, aber eben nur ein verdammter Fleck! Verdammt, Trait, Ihren Angaben zufolge müsste hier ein Schlachtfeld sein.« Friedlanders Verwirrung war unüberhörbar; es hatte ihm keine Probleme bereitet, sich mich als Amok laufenden Psychopathen vorzustellen, auch vor dem schaurigen Anblick eines Massakers schien er sich innerlich gewappnet zu haben – als der Tatort nun aber in keiner Hinsicht seinen Erwartungen entsprach, machte sich seine Anspannung durch Wut Luft. Das leere, unscheinbare Zimmer verspottete ihn.
Friedlander funkelte mich böse an. Nur um seine Mundwinkel verliefen zitternde Spuren von Unsicherheit. Nach einem Ausdruck von Erleichterung suchte ich jedenfalls vergeblich.
»Ich … ich war in Panik«, versuchte ich mich zu verteidigen. »Ich hab’ nicht mehr gewusst, was ich sage. Überall sah ich nur diesen …diesen roten Blutfleck.«
Die Miene des Sheriffs zeigte keine Veränderung. Wortlos drehte er sich um und ging hinüber zum Bett. Nachdem er das Kopfende eingehend untersucht hatte, betastete er vorsichtig die rotbräunliche Stelle im Laken. Selbst auf den festen Druck seiner Finger hin zeigte sich nun kein feuchter Glanz mehr. Ich stöhnte innerlich auf. Nicht einmal dieser Beweis war mir geblieben; während ich auf Friedlander gewartet hatte, war das Blut offenbar tiefer in die Matratze eingesickert und dann getrocknet. Als der Sheriff sich wieder aufrichtete, erinnerte das Knacken der Gelenke an den Doppelschuss einer Luftpistole. Mit leicht gesenktem Kopf kam er auf mich zu. »Das hier ist also alles, was Sie mir zeigen können?« Sein Arm deutete blind hinter sich. »Wegen dieses jämmerlichen Fleckes haben Sie mich am frühen Morgen von Riverside hier heraufkommen lassen?«
»Ja … äh … n-nein«, stotterte ich. »Ich hab’ Sie wegen Rosalie gerufen. Sie wollte, dass ich Aufnahmen von Ihr mache. Sie … sie war ganz versessen darauf. Warum sollte sie mitten in der Nacht verschwinden? Es war Mia. Sie …«
»Ach, hören Sie doch auf mit diesem Mist, Trait!«, schnaubte Friedlander. »Rosalie … ROSALIE … Wissen Sie was? Ich glaube, diese Rosalie existiert nur in Ihren Träumen.«
»Aber das Blut! Was ist mit dem Blut?«
Der Sheriff betrachtete mich mit einer Mischung aus Zorn und Abscheu. »Was soll damit sein? Vielleicht hatte Ihre Freundin starkes Nasenbluten, ich weiß es nicht. Möglicherweise ist es auch nur ein Glas Kirschsaft. Sagen Sie es mir! Oder war es etwa Himbeersaft?«
»Waaas?«, schrie ich. »Himbeersaft?« Mein Mund war plötzlich so trocken, als wenn er mit Sand gefüllt wäre. Brennender Schweiß bedeckte meine Haut. »Sind Sie blind? Das dort auf dem Bett ist Blut. Blut, verdammt noch mal! Wie oft soll ich Ihnen das noch erzählen? BLUT! Und es stammt von diesem Mädchen, das Mia mitgebracht hat. Begreifen Sie doch endlich. Vielleicht können wir sie ja doch noch retten. Wenn wir hier aber nur untätig herumstehen, ist Rosalie verloren. Mia wird nicht zögern, sie Sachmet als Opfer darzubringen.«
Friedlanders Augenbrauen zuckten unmerklich nach oben. »Sachmet?«
»Ja, die göttliche Löwin. Das zornige Auge des Re. Sie hat unzählige Namen; manche nennen sie auch ›Herzensherausreißerin‹, verstehen Sie? Sie ist eine mächtige und blutrünstige Göttin und …«
»Okay Trait, ich habe verstanden«, fuhr mir der Sheriff dazwischen. »Diese Geschichte mit dem abstrusen Katzenkult. Das ist doch auch nur ein Produkt Ihrer Panik, nicht wahr? Die vielen Katzen hier überall sind Ihnen
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