Katzendaemmerung
Antwort; in meiner Bedrängnis fand ich aber nur die Wahrheit. »Ich dachte, Mia … ich meine Lindsay … würde Rosalie sicher irgendwo dort unten vergraben. Um alle Spuren zu verwischen, verstehen Sie? Mit der Hacke wollte ich nach der möglichen Stelle suchen.«
Der Sheriff schien meine Erklärung kaum zu beachten. In gebückter Haltung untersuchte er jeden Zentimeter von Stiel und Eisenblatt. »Hier an der breiten Seite ist Erde«, kommentierte er seinen vorläufigen Befund.
»Ja, das ist schon möglich«, antwortete ich. »Die Hacke stammt noch aus dem Besitz meiner früheren Freundin … Natascha. Ihr Vater und Großvater waren beide Archäologen. Ich nehme an, die Erde wird noch von irgendwelchen Ausgrabungen stammen.«
Friedlander warf mir einen skeptischen Blick zu. »Ich bin zwar kein Experte in solchen Dingen, aber diese Erde hier ist noch nicht mehrere Jahre alt. Vielleicht Wochen oder einige Monate. Nicht aber Jahrzehnte … dafür ist sie noch viel zu fest.« Mit laut knackenden Knien erhob er sich wieder. »Wo sagten Sie, fanden diese Ausgrabungen statt?«
»In Nordafrika, vorwiegend in Ägypten.«
»In Ägypten also … mhhm. Wollen Sie hören, was ich darüber denke, Trait? Ich wette meine Pension, dass die Jungs im Labor daran nicht die geringsten Spuren von Afrika und Ägypten entdecken werden. Viel eher dürfte das Zeug eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Boden Ihres so hübschen Hinterhofgärtchens besitzen, habe ich nicht recht?«
Ich zuckte nur hilflos mit den Schultern. »Ich weiß nicht, was …«, begann ich stockend.
»Wirklich nicht?« Die Miene des Sheriffs nahm plötzlich einen überraschend freundlichen Ausdruck an. Beinahe glaubte ich, den ›alten Friedlander‹ vor mir zu sehen. »Thomas, mein Junge.« Er lächelte mich väterlich an. »Möglicherweise können wir uns beide viel Ärger und Mühen ersparen. Beantworten Sie mir nur eine Frage: Haben Sie diese Rosalie getötet und die Leiche anschließend zwischen den Trümmern vergraben?«
Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Unfähig, auch nur einen einzigen Ton von mir zu geben, starrte ich den Sheriff entsetzt an. Das geschieht nicht wirklich , versuchte ich mir einzureden. Das ist alles nur ein Traum. Alles nur ein verrückter Albtraum.
»Oder ist Rosalie etwa nur eine Erfindung?«, hakte Friedlander nach. »Müssen wir vielleicht nicht eher nach Lindsay unter dem Müll suchen? Thomas … haben Sie ihre Freundin getötet? Erleichtern Sie ihr Gewissen. Vielleicht war es ja ein Unfall, oder …«
»Nein!«, brach es plötzlich aus mir heraus. »Nein! Sind Sie übergeschnappt? Ich habe niemanden umgebracht, weder meine Freundin noch Rosalie. Mein Gott, ich war es doch, der Sie geholt hat. Warum um alles in der Welt sollte ich die Polizei alarmieren, wenn ich einen Mord vertuschen wollte? Das wäre doch völlig hirnverbrannt … verrückt … krank!«
Friedlander behielt selbst jetzt noch seine erstaunliche Gelassenheit. »Sie würden sich wundern«, sagte er. »Im Laufe der Jahre habe ich schon die verrücktesten Dinge erlebt. Und ein Mörder, der direkt nach der Tat die ›911‹ wählt, um uns eine fantastische Geschichte von Außerirdischen oder dämonischen Killern aufzutischen, zählt beileibe nicht zu den ungewöhnlichsten Vorfällen.«
»Aber ich habe nichts dergleichen getan!«, schrie ich ihn an. »Ich habe auch nichts von Dämonen und Geistern gefaselt.« Gott sei Dank! , schoss es mir durch den Kopf. »Das Einzige, was ich Ihnen zu erklären versuche, ist die Tatsache, dass Mia offensichtlich unter dem Einfluss eines blutrünstigen Kultes steht. Mia , hören Sie?! … Nicht ich! Sie ist diejenige, die Menschen umbringt.«
Zitternd vor Erregung wartete ich auf eine Reaktion des Sheriffs. Friedlander streckte lediglich den Arm aus und zeigte nach vorn. »Das Schlafzimmer«, lautete seine knappe Anweisung. In seinem Gesicht erkannte ich nun wieder eine deutliche Anspannung. Der Fall nahm nicht die von ihm erhoffte Wendung; ohne ein freiwilliges Geständnis würde er sich notgedrungen mit der alltäglichen Suche nach kleinsten Indizien herumschlagen müssen.
Nur höchst widerwillig spielte ich den Führer. Mit dem schweigsamen Sheriff im Rücken fühlte ich mich mehr und mehr wie ein Verbrecher, der den Cops zur Rekonstruktion eines Mordes den Tatort zeigte.
Als ich die besagte Tür erreicht hatte, war ein Großteil meines Zorns und meiner Entrüstung längst wieder verflogen. Was blieb, waren Angst
Weitere Kostenlose Bücher