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Katzendaemmerung

Katzendaemmerung

Titel: Katzendaemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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worden, dass selbst ein chinesischer Akrobat an einer derartigen Übung gescheitert wäre.
    Ach hatte sich jedoch nicht damit begnügt, ihr Opfer wie eine Puppe zu zerbrechen, weitaus schrecklicher waren die Verletzungen, die den gesamten Körper des Toten überzogen. Tausende von Schnitten hatten Friedlanders Haut geradezu perforiert. Ich fand keine einzige Stelle, die nicht vor Blut glänzte. Am Hals und Teilen des Gesichts hatten die Krallen so stark gewütet, dass die Epidermis wie die fransigen Blütenblätter einer seltenen Orchidee in breiten Streifen herabhing.
    Ich konnte mich erst abwenden, als sich jede Einzelheit fest in mein Bewusstsein eingebrannt hatte. Der Grund hierfür lag jedoch nicht etwa in einer krankhaften Form des Voyeurismus, ich sah nur keine andere Möglichkeit, um Friedlander die letzte Ehre zu erweisen. Für eine pietätvolle Zeremonie fehlte mir die Kraft … und die Zeit.
    Jede Faser meines Körpers sehnte sich nach Ruhe, doch ich durfte dem Drängen nicht nachgeben. Nicht zuletzt auch darum prägte ich mir das Bild des toten Sheriffs so nachdrücklich ein.
    Sieh genau hin!, zwang ich mich. Du trägst Schuld am Tode dieses Mannes. Wie viele Tote willst du eigentlich noch auf dein Gewissen laden? Wach endlich auf und vergiss deine nichtigen Schmerzen. Oder beginne, sie zumindest als einen Teil deiner Buße zu akzeptieren. Du bist nämlich noch nicht aus der Verantwortung entlassen. Du weißt es genau. Eine letzte Aufgabe wartet noch auf dich.
    Hilflos blickte ich mich um. Ich hatte Sachmet keineswegs vergessen; um jeden Preis wünschte ich mir ihre Vernichtung. Ich sah nur keinen Weg, wie dieses Ziel jetzt noch zu erreichen war. Ach hatte schließlich dafür gesorgt, dass ich nicht einmal mehr einem kleinen Kätzchen gefährlich werden konnte.
    Ein mattes Schimmern erregte plötzlich meine Aufmerksamkeit. Keine drei Meter weiter lag etwas Metallisches am Boden. Während sich meine Augen noch um eine Scharfeinstellung bemühten, ging ich neugierig darauf zu. Das schimmernde Etwas entpuppte sich als Friedlanders Pistole. Schon zu Beginn seines ungleichen Kampfes mit Ach musste er sie hier verloren haben. Vorsichtig, mit möglichst geradem Rücken, ging ich in die Knie, um die Waffe aufzuheben. Es war eine ›9 mm Taurus‹ mit fast vollem Magazin. Nur zwei Patronen fehlen , dachte ich betrübt. Friedlander hatte nicht ahnen können, wie nutzlos seine Waffe gegen einen Spuk wie Ach sein würde.
    Abschätzend wog ich die Taurus in meiner Hand. Im Grunde lehnte ich Schusswaffen kategorisch ab, für mein weiteres Vorgehen konnte mir die Pistole aber einen entscheidenden Vorteil bringen. Sachmet mochte vielleicht eine Göttin sein, sie lebte jedoch im Körper eines Menschen. Und hier lag ihre Schwachstelle. Im Gegensatz zu Ach konnte Mia durchaus von einer Kugel getötet werden. Ich steckte mir die Pistole hinten in meinen Gürtel und stapfte dann zielstrebig in Richtung Wohnungstür.
    »Die Toten«, murmelte ich leise vor mich hin. »Denk immer nur an die Toten.« Es galt jetzt, meine letzten Adrenalinreserven zu mobilisieren. Nur mit Zorn und Aggressivität konnte ich mich gegen den zunehmenden Verfall meines Körpers zur Wehr setzen. Die schrecklichen Bilder in meinem Kopf wirkten dabei wie eine Überdosis ›Speed‹. Trotz allem agierte ich keineswegs überstürzt; als ich das Fotostudio passierte, machte ich einen kurzen Abstecher, um mich mit einer ›Mini-MagLite‹ zu versorgen. Eine Taschenlampe konnte mir da, wo ich Mia vermutete, sicher gute Dienste leisten.
    Das Öffnen der Eingangstür gestaltete sich als unerwartet schwieriger Vorgang; zeitweilig hatte ich den Eindruck, einhändig eine Zugbrücke herablassen zu müssen. Als ich das behäbige Monstrum endlich weit genug aufgerissen hatte, dachte ich nicht im Traum daran, es auch wieder hinter mir zu schließen. Bei dem, was ich vorhatte, bezweifelte ich ohnehin, ob ich jemals wieder zurückkehren würde.
    Nicht an das Ende denken , schrie ich mir innerlich zu. Verdammt, denke an das, was du mit Sachmet tun wirst. Denke an deinen nächsten Schritt. Denke an Joy, Rosalie und Friedlander! Alles andere ist unwichtig!
    Ich schleppte mich hinüber zur Treppe und nahm vorsichtig die erste Stufe.
    Joy , dachte ich voller Wut. Mein rechter Arm stützte sich schwer auf das Geländer.
    Die zweite Stufe.
    Rosalie.
    Die dritte Stufe.
    Friedlander.
    Ohne jedes Straucheln gelangte ich schließlich zum ersten Absatz. Nicht schlecht, lobte ich

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