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Katzendaemmerung

Katzendaemmerung

Titel: Katzendaemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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schließlich nach oben. Obwohl sofort wieder Dutzende von Schmerzzentren Alarm schlugen, blieben meine Beine davon unbehelligt. Immerhin etwas , dachte ich zynisch.
    Ungelenk überstieg ich zwei wirre Kleiderhaufen und wandte mich dann zur Tür. Mein linker Arm baumelte dabei schwer und nutzlos an der Seite. Ich fühlte mich wie ein beschädigter Roboter, der nur stur seiner Programmierung folgte. Kein Gedanke wurde an den Sinn oder die Durchführbarkeit einer Aufgabe verschwendet.
    Ich hielt inne. War ich tatsächlich nicht mehr als eine seelenlose, dumme Maschine? Nein , dachte ich. Ganz sicher nicht. Warum also marschierte ich dann geradewegs wieder auf Ach zu? Sollte mein Tod nicht wenigstens einen Zweck erfüllen? In meinem jetzigen Zustand konnte ich aber weder für Friedlander noch für mich etwas ausrichten. Es sei denn … ganz plötzlich blitzte eine kühne Idee in mir auf … es sei denn, man traf den Gegner an seiner ungedeckten Seite.
    Ich machte auf der Stelle kehrt und steuerte nun direkt auf den Baldachin zu. Die Zeit drängte. So schnell es meine gebrochenen Rippen erlaubten, eilte ich zittrig voran. Los geh, verdammt!, feuerte ich mich an. Denk’ nicht nach; tu es einfach. Und zwar schnell! Möglicherweise war mein Vorhaben vollkommen sinnlos; Zweifel waren jedoch ein Luxus, den ich mir nicht mehr leisten konnte. Zudem sagte mir eine innere Stimme, dass Bastets Botin genau dort ihre Achillesferse hatte.
    Trotz meiner Behinderung konnte ich recht zügig den Tempel durchqueren; ich brauchte nur der breiten Schneise zu folgen, die ich auf meinem überhasteten Rückzug in das Rund der Vasen und Skulpturen geschlagen hatte. Mit nicht geringer Befriedigung vernahm ich das Knirschen von Tonscherben unter meinen Sohlen. Schon jetzt war die heilige Stätte entweiht, nun aber sollte sie vollends zerstört werden.
    »Da bist du ja«, begrüßte ich die Herrin des Tempels wenig ehrfurchtsvoll. Die rotbraune Katzenfrau schien zu ahnen, was ich im Schilde führte; als ich mich dem Thron näherte, war mir, als hätte sich ihr ansonsten freundliches Mienenspiel in eine hasserfüllte Fratze verwandelt. Alles nur Einbildung , beruhigte ich mich. Auf dem Stuhl dort steht nur eine leblose Figur. Ein Artefakt, wie es Hunderte hier in der Wohnung gibt.
    Ich zögerte. Ganz so einfach war die Sache doch nicht. Ich hätte nicht sagen können, worin das Besondere dieser Terrakotta bestand, doch allein schon ihre exponierte Stellung hob sie deutlich aus der Masse der übrigen Katzenwesen heraus.
    Ganz bewusst hatte Mia (oder Natascha) diese und keine andere Figur in das Zentrum des Schreins gesetzt. Vor mir stand mehr als nur ein gebranntes Stück Ton, mehr als nur ein Symbol für die Göttin Bastet. Die Katzenfrau war eine antike ›Batterie‹, aufgeladen mit Kräften, die unsere neuzeitliche Physik ad absurdum führten.
    Und sie war unbewacht.
    Nichts und niemand konnte sie jetzt noch retten. In einer einzigen Bewegung riss ich die Figur vom Stuhl, hob sie hoch über meinen Kopf und ließ sie dann mit größter Wucht auf den Steinfliesen zerschellen.
    Ein Schrei – geboren aus Schmerz und Freude – löste sich befreiend aus meiner Brust. Die Wächterin des Tempels hatte versagt; das ihr anvertraute Heiligtum war nur noch ein kläglicher Haufen Scherben. Ich jubilierte. Ganz gleich, was nun geschah, allein für diesen Triumph hatten sich meine Mühen gelohnt.
    Das Hochgefühl währte aber nur wenige Augenblicke. Schon nagten neue Ängste und Zweifel an mir. Hatte ich wirklich einen Sieg errungen? Und wenn ja, wie sah er aus? Ich wollte einfach nicht glauben, dass ich durch das bloße Zerstören einer Reliquie ein derart übermächtiges Wesen wie Ach bezwungen haben sollte. Jeden Moment konnte die sadistische Wächterin zum Gegenschlag ausholen. Und was dann? Hatte mir meine Freveltat nicht viel eher einen festen Platz in der Hölle der zweiundvierzig Toten-Richter beschert, wo solch erfreuliche Geschöpfe wie Eingeweidefresser und Knochenbrecher hausten? Ach würde sicherlich nichts unversucht lassen, um meine Leiden bis in alle Ewigkeiten auszudehnen.
    Der erwartete Angriff blieb allerdings aus. Im flackernden Schein der Kerzen ahmten nur die Schatten flüchtige Bewegungen nach; ansonsten wirkte der Raum wie eine geplünderte Grabkammer, die schon seit Jahrhunderten verlassen war.
    Ich blieb dennoch vorsichtig. Neugierig suchte ich den Boden nach den Überresten der Terrakotta ab. Im ersten Moment lieferte mir mein

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