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Katzendaemmerung

Katzendaemmerung

Titel: Katzendaemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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verschleierter Blick nur ein unscharfes Geflecht aus hellen und dunklen Flecken.
    Hatte ich mir am Ende etwa alles nur eingebildet? War ich tatsächlich hier, oder lag ich vielleicht noch immer ohnmächtig unter Nataschas Kleidern vergraben und träumte? Der Gedanke machte mir Angst. Ich brauchte unbedingt einen sichtbaren Beweis für die Realität meines Handelns. Nur das Gefühl einer tönernen Scherbe zwischen meinen Fingern konnte jeden Zweifel ausräumen.
    Mühsam fokussierte ich meine Augen auf eine merkwürdige Form am Boden. Inmitten eines Chaos’ aus Tonsplittern entdeckte ich ein längliches, etwa dreißig Zentimeter großes, grau-weißes Bündel. Verblüfft schlurfte ich näher. Die vordere Rundung des Dings erinnerte sehr an eine Katze. Alle Stiche in Brust und Hüfte missachtend, kniete ich mich nieder. Mit zittrigen Fingern berührte ich eine harte Oberfläche, die aus uralten sorgsam gewickelten Leinenbinden bestand.
    Ich hatte mich nicht getäuscht. Vor mir lag die vollständig erhaltene Mumie einer Katze. Ich musste nicht lange überlegen, um mir das plötzliche Auftauchen des Kadavers zu erklären. Der unbekannte Künstler hatte ganz einfach seine Tonfigur exakt um die Formen des Leichnams herum modelliert. Die Katzenfrau war demnach nichts anderes als ein gut getarnter Sarkophag gewesen.
    Nachdenklich betrachtete ich die kleine Mumie. Lag hier vor meinen Füßen etwa das eigentliche Geheimnis? War dieses unscheinbare, nur von ledriger Haut umspannte Häufchen Knochen vielleicht die wahre Bastet, die fleischgewordene Herrin von Bubastis? Die Vorstellung brachte mich unweigerlich zum Lachen. Ein rattengroßer Kadaver als ›Geißel der Menschheit‹! Eine groteskere Ironie des Schicksals konnte ich mir kaum vorstellen.
    Ich wollte das Bündel gerade mit einem wohl gezielten Tritt zu Staub zermahlen, als ich ein Geräusch vom Korridor her vernahm. Angespannt lauschte ich in die beklemmende Stille. War es ein Rasseln gewesen? Oder ein schwaches Flüstern?
    »Friedlander, sind Sie das?«, rief ich unsicher.
    In meiner Zerstörungswut hatte ich den Gesetzeshüter beinahe völlig vergessen. Was immer ich aber gehört hatte, schien kein zweites Mal die dichte Hülle des Schweigens durchbrechen zu können. Du darfst dennoch nicht zögern , sagte ich mir. Solange es für den Sheriff auch nur den Hauch einer Chance gab, musste ich alles versuchen, um ihn zu retten. Um tote Knochen konnte ich mich auch später noch kümmern.
    Eher benommen als triumphierend verließ ich den Tempel. Wichtige Teile meines Körpers drohten mir jeden Augenblick ihren Dienst zu versagen. Mein linker Arm hatte das Gewicht und die Form eines Baumstammes angenommen. Gnädigerweise spürte ich nur ein stetes Pochen, ansonsten war er bis hinauf zur Schulter taub.
    Auch meine Augen hatten etwas abbekommen; immer wieder verschwammen die Umrisse meiner Umgebung. Als ich mich vorsichtig durch die Kleiderkammer tastete, erlitt ich sogar einen totalen Bildausfall. Bevor ich allerdings in Panik geraten konnte, hatte sich die Störung schon wieder selbsttätig behoben. Hechelnd und mit rasendem Herzen kämpfte ich mich weiter. Es war nicht gerade viel, aber das Einzige, worauf ich mich noch verlassen konnte, waren meine Beine. Endlich erreichte ich die Tür zum Flur. Erschöpft und zittrig hielt ich mich am Rahmen fest. Alles wirkte merkwürdig verschoben; nirgendwo im Raum konnte ich eine einzige Senkrechte entdecken. Ich schloss die Augen und versuchte, ein wenig Kraft für den nächsten Teil meiner Mission zu sammeln.
    Mein flaches Hundeatmen hallte unangenehm laut durch den Korridor. Als sich das Hecheln zu einem mäßigen Schnaufen abgemildert hatte, wagte ich einen zögerlichen Blick um die Ecke. Friedlanders massige Gestalt lag nur wenige Schritte von mir entfernt im Gang. Ich spürte sofort, dass jede Hilfe zu spät kam. Machte ich anfangs noch meine verzerrte Optik für die widernatürliche Lage seiner Gliedmaßen verantwortlich, so musste ich schnell feststellen, dass mich meine Augen diesmal nicht betrogen hatten.
    Der Sheriff lag halb auf der Seite, ein Bein war in einem seltsamen Winkel unter den Körper gerutscht. Die ausgestreckten Arme wirkten beinahe unauffällig; erst bei näherer Betrachtung erkannte ich, dass sie mit brutaler Macht aus den Gelenken gerissen und dann grässlich verdreht worden waren. Ähnliches war auch mit dem Kopf und Rücken Friedlanders geschehen. Seine Wirbelsäule war so stark nach hinten gebogen

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