Katzendaemmerung
an der Zeit, dass endlich wieder so etwas wie Normalität und Ruhe in unsere Beziehung eintrat. Nein, ich muss mich korrigieren: So etwas wie der übliche Wahnsinn wäre treffender. Normalität und Ruhe waren Begriffe, die mit dem, was zwischen Mia und mir ablief, einfach unvereinbar waren. Eigentlich hätte es so sein sollen – und in den ersten zwei Wochen nach Joy McMillians Tod sah es tatsächlich so aus, als wären die dunklen Tage endgültig vorüber.
Auch wenn sie nicht mehr als Tascha mit den Museen zusammenarbeiten konnte, so übersetzte Mia dennoch weiter koptische, demotische und hieroglyphische Text-Fragmente, die sich noch zahlreich in ihren Archiven stapelten. Es war eine Beschäftigung aus rein persönlichen Motiven; vielleicht, so vermutete ich, erhoffte sie sich aus dem Studium der alten Quellen noch genauere Aufschlüsse über ihre Herkunft.
Was mich betraf, so brütete ich zum x-ten Mal wieder über der B.S.A.-Werbekampagne. Wie ich richtig vermutete, erwies sich die Arbeit als beste Therapie. Endlich begann sich in meinem Kopf so etwas wie ein Konzept für die Fluglinie zusammenzufügen. Es mussten keine verkitschten oder computerisierten Tieraufnahmen sein, entschied ich. Warum sollte ich nicht eine klare, einfache Linie fahren? Ich entwarf Exposés im Stil von ›dynamisch verwischte Aufnahme eines rennenden Geparden‹ - Untertext: ›Immer mit der Ruhe, Mr. G.! Mit B. S. A. geht’s wesentlich schneller. Und bequemer.‹ Ich würde eine Akte mit sechs Features zusammenstellen und sie dann an ›Blue Sky‹ schicken; entweder sie akzeptierten meinen Stil oder nicht. Zu Kompromissen war ich nicht bereit. Falls der Deal platzte, gab es genügend andere Angebote. Und schließlich konnte ich ja immer noch zu meinen Mode-Fotos zurückkehren.
Mia und ich führten das Leben eines (fast) normalen Paares; sogar die lästigen Pflichten des Haushalts waren gerecht untereinander aufgeteilt worden. In unserer Freizeit gingen wir ins Kino, machten Einkaufsbummel oder wanderten durch den Nationalpark. Dank Mias Impulsivität blieb allein unser Liebesleben vom Mittelmaß des Alltags verschont. Kein Tag verging, an dem sie nicht meinen Puls auf Spitzenwerte brachte.
Mir gefiel dieses Leben; wenn es nach mir gegangen wäre, hätte es für alle Zeiten so weitergehen können. Aber wer fragte mich schon?
Irgendwann am Ende dieser zwei unwirklich normalen Wochen – an einem Donnerstag oder Freitag – zeigte sich, auf welch brüchigen Fundamenten unsere Idylle tatsächlich stand. An jenem Tag wurde meine kreative Phase durch das selten erklingende Geräusch der Türschelle unterbrochen. Als Mia auch nach dem dritten Signal nicht reagierte, schlurfte ich notgedrungen selbst zur Tür.
»Reine Zeitverschwendung«, brummte ich. Entweder war es ein schmieriger Typ, der hier das Warenlager für besonders günstige Videorecorder vermutete oder aber ein Vertreter für Teppichpflegemittel; die Möglichkeit, dass dort draußen ein Freund oder Bekannter wartete, tendierte mangels Masse gegen Null. Da mich der Unbekannte soeben bei der Ausarbeitung eines Giraffen-Slogans gestört hatte, riss ich die Tür mit einer entsprechend finsteren Miene auf.
»Ja, was gibt’s denn so Dringendes?«, fragte ich gereizt. Im selben Moment zuckte ich aber innerlich zusammen. Vor mir stand ein etwa fünfzigjähriger, breitschultriger Mann, der überraschenderweise zu keinen der von mir erwarteten Personengruppen gehörte. Seine braungraue Uniform kennzeichnete ihn eindeutig als Polizisten.
Etwas umständlich drehte er seinen Hut in den Händen.
»Guten Tag, Sir«, nickte er lächelnd. »Sheriff Friedlander vom Riverside County Police Department … Mr. Trait? Ihr Schild unten im Flur ist wirklich schlecht zu erkennen.«
Ich nickte nur, während ich möglichst unauffällig einen dicken Kloß im Hals hinunterschluckte.
»… werde das alte Ding wohl mal erneuern müssen«, murmelte ich. Als mich der Beamte immer noch mit erwartungsvollen Augen anblickte, fragte ich: »Was kann ich für Sie tun, Sheriff? Habe ich etwa irgendwo falsch geparkt?«
Friedlander legte kurz seine Stirn in Falten und schüttelte dann energisch den Kopf. »Nein, nein, Mr. Trait. Es geht um das Verschwinden einer Dame namens Joy McMillian. Das Büro in L.A. teilte mir mit, dass Miss McMillian sie offensichtlich kurz vorher hier in Yucca Springs besucht hat.«
Das zum Thema ›vorbei und vergessen‹ , dachte ich sarkastisch.
»Ja … oh … natürlich«,
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