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Katzendaemmerung

Katzendaemmerung

Titel: Katzendaemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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sich dort und dehnten sich wieder aus. Auch die Zeit dehnte sich. Als wir uns unter dem Dröhnen des Heißluftgebläses vor Schweiß triefend und keuchend wieder voneinander trennten, hätte ich schwören können, Mia habe stundenlang auf mir geritten.
    Danach aber verrannen die Sekunden scheinbar zum Ausgleich mit doppelter Geschwindigkeit. Ich hatte gerade notdürftig ein kleines Sichtfenster frei gewischt, als die Lichtanlage bereits auf Grün sprang.
    ›MOTOR AN - GASGEBEN - KONTROLLIEREN SIE IHRE BREMSEN‹ verkündete eine gelbe Leuchttafel darüber. Halb wischend, halb lenkend, den Sitz noch in der hinteren Stellung, zockelte ich vorwärts. Auf dem angrenzenden Parkplatz, wo sich die Schläuche der Münzstaubsauger wie riesige Schlangen ringelten, hielt ich sofort wieder an. Der Geo musste zuerst einmal wieder in ein fahrtüchtiges Auto verwandelt werden. Nachdem ich den Fahrersitz wieder in die alte Position gerückt hatte, gingen wir daran, alle inneren Glasflächen gründlich abzuledern. Unser Atem hatte jede Scheibe mit einer dichten Schicht Kondenswasser beschlagen lassen.
    Es war weit nach Mitternacht, als wir endlich die Bloomfield-Street erreichten. Im kalten Schimmer der Natriumdampflampen machte das Haus einen alles andere als einladenden Eindruck. War dies dort wirklich mein ›Zuhause‹? , fragte ich mich. Der finstere Tordurchgang zum Hinterhaus wirkte wie ein tiefer Schlund. Wie der aufgerissene Rachen eines lauernden Löwen. Warum nicht , sagte ich mir. Genau dorthin gehörst du doch. War es nicht das, was ich anscheinend so dringend brauchte? Ein Leben, ständig mit dem Kopf in einem zuckenden Löwenmaul? Ich nahm Mia an die Hand, und gemeinsam durchschritten wir nur zu gerne jene unsichtbare Grenze.
    Anders als in der Nacht zuvor schlief ich wieder in unserem Schlafzimmer. Mia hatte die teilweise besudelten Matratzen gewendet und die Betten frisch bezogen. Ich war viel zu erschöpft, um mich von diesem Ort abschrecken zu lassen. Vermutlich hätte ich mich sogar auf ein blutfeuchtes Laken fallen lassen. Joys Schicksal war mir nach wie vor nicht gleichgültig; ich sah nur ein, dass nichts mehr zu machen war. Was geschehen war, war nun eben mal geschehen. Die pragmatische Philosophie eines Komplizen.
     
    Der Sturm hat meine Rufe erhört; heulend und pfeifend jagt er an meinem Fenster vorbei. Auf dem kahlen Hügel der Bucht wächst nichts, um sich ihm in den Weg zu stellen; das einsame Haus stellt daher sicherlich eine willkommene Herausforderung für ihn dar. Mit unsichtbaren Fingern reißt er an Dachschindeln und Teerpappe. Oben im ersten Stock hat er bereits den Rahmen eines Fliegengitters gelöst. Mit dumpfen Schlägen hämmert es beständig an die Wand. Im Getöse des Sturms geht es jedoch fast unter.
    Ich schalte die notwendig gewordene Schreibtischlampe aus, um besser das Meer beobachten zu können. Immer höhere Wellenberge türmen sich auf, bevor sie an den vorgelagerten Felsen zerschellen oder als weiß schäumender Rinnsal am Strand ihr Ende finden. Als ich genauer hinsehe, entdecke ich schwarze Punkte, die zuweilen auf den Kämmen der Wellen zu treiben scheinen. Sicherlich sind es Robben, die den starken Seegang als aufregende Achterbahnfahrt betrachten. An manchen Tagen kommen diese spaßigen Gesellen sogar bis hinauf auf den Strand, um sich in kleineren Gruppen genüsslich die Sonne auf den Pelz brennen zu lassen. Eigentlich verhalten sie sich dabei kaum anders als Touristen. Mit einer wichtigen Ausnahme: Wenn sie verschwunden sind, muss niemand kommen, um den Strand danach aufwendig zu säubern.
    Ich mag diese wilde, einsame Küste. Seit ich hier oben lebe, bedaure ich jeden, der nicht das Glück hat, das Meer vor seiner Haustür zu haben. Der immer wieder neue Anblick entschädigt für vieles. Die meiste Zeit über zeigt sich die See hier von ihrer sanften, freundlichen Seite, zuweilen verwandelt sie sich aber auch in einen brodelnden Hexenkessel. Dabei ist sie aber immer ehrlich; wenn man den Himmel und den Wind genau beobachtet, weiß man stets, was einen erwartet. Bedauerlicherweise ist das Verhalten von Menschen und Göttern nicht derart vorausberechenbar.
    Ich schalte das Licht wieder ein. Die noch leeren Seiten vor mir warten darauf, mit meiner krakeligen Handschrift gefüllt zu werden. Ich hoffe, der Platz wird ausreichen, denn es gibt noch eine Menge zu berichten.
     
    Eigentlich, so müsste man annehmen, hatten Mia und ich nun die schwierigste Hürde gemeistert. Es war

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