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Katzendaemmerung

Katzendaemmerung

Titel: Katzendaemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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wacklig wie ein alter Greis erhob, war selbst das Dämmerlicht aus einigen der offen stehenden Räumen verschwunden. Während meiner Bewusstlosigkeit war der Tag unmerklich in den Abend übergegangen.
    Mit kleinen Schritten schleppte ich mich vorwärts in Richtung Bad. Zum allerersten Mal war ich froh über Mias Eskapaden; vielleicht gelang es mir ja, alle Spuren des Kampfes noch vor ihrer Rückkehr zu beseitigen. Ich wollte unbedingt vermeiden, dass Mia von meinen Suchaktionen erfuhr. Was Ach betraf, so befürchtete ich von dieser Seite her keinen Verrat. Seltsamerweise war ich mir sicher, dass die tollwütige Furie Bastet nichts von unserem Zusammentreffen berichten würde.
    Als ich mich jedoch im Spiegel betrachtete, löste sich mein Optimismus in Wohlgefallen auf. Mein erster Eindruck war, einen völlig fremden Menschen durch eine Scheibe hindurch zu beobachten. Der Fremde sah aus, als gehörte er zu den wenigen Überlebenden einer Flugzeugkatastrophe. Dickes, blutig verkrustetes Haar verdeckte eine offenbar große Platzwunde am rechten Hinterkopf. Die rechte Seite des Gesichts war in rotbraune Blutstreifen getaucht worden. Das Jochbein derselben Seite zeigte eine deutliche Schwellung. Das ehemals weiße T-Shirt war vollkommen zerfetzt und blutdurchtränkt. Tiefe Schnitte zogen sich über Brust und Oberarme. Über vielen der Verletzungen hatten sich bereits leichte Krusten gebildet; aus einigen größeren Schnitten perlte aber auch jetzt noch das Blut.
    Der Fremde benötigte dringend ärztliche Hilfe, diagnostizierte ich nüchtern. In erster Linie brauchte man etwa fünf Meter chirurgischen Zwirn, um ihn halbwegs wieder zusammenzuflicken. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich dazu bereit war, das unbekannte Flugzeugopfer mit meiner eigenen Person in Verbindung zu bringen.
    »Na, prima«, lächelte ich den Fremden schließlich an, »dann wollen wir doch mal sehen, ob wir etwas von ›Chicago Hope‹ und ›ER‹ gelernt haben.« Der Fremde antwortete mir mit einem grausigen, schief-verzerrten Grinsen.
    Eigentlich war ich dank Taschas und Mias oft blutigen Liebespraktiken bereits ein Experte im Verarzten von kleineren und mittleren Blessuren; dieses Mal sah es jedoch so aus, als hätte mich ein ganzes Rudel von Bastets durch die Mangel gedreht. Bevor ich mit der Säuberung der Wunden begann, durchsuchte ich den Arzneischrank nach Schmerzmitteln. Ich schluckte zwei ›Tylenol‹ und warf zur Sicherheit noch eine kleine ›Actron‹ hinterher. Nachdem ich Gesicht, Brust und Arme vorsichtig mit einem lauwarmen Waschlappen von getrocknetem Blut gereinigt hatte, wagte ich einen zweiten Blick in den Spiegel. Das Ergebnis war nicht gerade umwerfend, aber immerhin erkannte ich mich jetzt wieder. Das Gesicht hatte außer der Prellung unter dem Auge nur einen gezackten Kratzer am Kinn abbekommen; schlimmere Attacken hatten meine Deckung nicht durchbrochen.
    Mein linker Arm sah dafür aus, als hätte ich damit in einem Piranha-Becken die Wassertemperatur geprüft. Eine fleischliche Landkarte aus mäandrierenden Kratzern und Blutseen! Zwei Schnitte an der Unterseite hätten sicherlich genäht werden müssen; ich beschloss jedoch, mir mit provisorischen Mitteln zu helfen. Ich wollte keinem Arzt erzählen müssen, was geschehen war. Und außerdem fielen gerade an dieser Stelle ein paar schlecht verheilte Wunden kaum auf. Die Pranken eines Ligers hatten dort schon vor langer Zeit überdeutlich ihre Spuren hinterlassen.
    Ich legte einen halbwegs passablen Verband um den Arm und versorgte den Rest in der schon gewohnten Weise mit Jodtinktur und ›Band-Aid‹. Glücklicherweise begannen die Tabletten langsam zu wirken; ohne ihre Unterstützung hätte ich die zeitaufwendige und höchst schmerzhafte Prozedur sicher kaum ertragen können. Besonders unangenehm war die Behandlung der Kopfwunde; als ich die Haare unter laufendem Wasser von ihren Verkrustungen befreite, setzte die Blutung erneut ein. Auch hier nahm ich eine dünne Wundauflage, die ich mit ›Band-Aid‹ befestigte. Damit die Pflaster aber überhaupt hielten, war ich gezwungen, mir vorher an der Stelle eine unvorteilhafte Tonsur zu schneiden. »Bringen wir’s hinter uns«, raunte ich meinem blassen Gegenüber zu. »Einen schönen Mann kann nichts entstellen.«
    Nach erfolgreicher Operation schleppte ich mich mit halbgeschlossenen Augen ins Bett. Die Tabletten, die ich auf fast nüchternen Magen eingenommen hatte, bescherten mir zusammen mit der sicher vorhandenen

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