Katzendaemmerung
Daher wehrte ich nicht nur Schläge ab, sondern versuchte auch selbst, gute, harte Treffer zu landen. Meine Kräfte schwanden allerdings rapide. In einem letzten Aufbäumen ließ ich meine Linke vorschnellen und traf tatsächlich das Kinn der Dämonin. Wenigstens EIN Andenken wird sie an mich behalten , dachte ich zufrieden, während ich langsam hinwegdämmerte.
Ach stieß einen ungewohnt hohen Schrei aus; ob aus Wut oder Schmerz konnte ich aber nicht sagen. Kannten Dämonen überhaupt so etwas wie Schmerzen? Was auch immer sie nun mit mir anstellte, ich würde es nicht mehr spüren. Fast friedlich lächelnd schloss ich meine Augen zum – wie ich meinte – letzten Mal.
Irgendwo schlug eine Trommel. Beständig. Dumpf. Dröhnend. Und schmerzhaft. Schmerzhaft?
In meinem in völliger Leere meditierenden Geist formte sich ein greifbarer Gedanke. Wie konnte ein vom Körperlichen losgelöster Geist, eine Seele, Schmerz empfinden? Befand ich mich etwa im Fegefeuer und war nun dazu verdammt, auf ewig unter Qualen für meine Sünden zu büßen? Vielleicht aber hatte mich Ach auch in eine ganz besondere Hölle geworfen, in die ägyptische Unterwelt mit ihren zweiundvierzig Totenrichtern. Ein apokalyptisches Reich, in dem Wesen wie Schattenverschlinger, Totenfresser, Knochenbrecher, Vernichter, Fessler oder Eingeweidefresser ihre Opfer auf grausamste Weise peinigten.
Die dröhnenden Schläge wurden immer lauter. Gab es unter den Totenrichtern etwa auch einen Trommler? Ich konnte mich nicht daran erinnern. Zu meinem großen Erstaunen besaß ich selbst jetzt noch Augen, die ich öffnen konnte. Ich sah einen schmalen, in Dämmerlicht getauchten Gang. Seltsam winzige Sterne blitzten in der Luft. Wie Myriaden von Glühwürmchen tanzten sie umher. Auch die Wände an den Seiten bewegten sich. Langsam pulsierende Wellen liefen über ihre Membranhaut. Dann versank alles wieder in Schwarz.
Als ich die Augen schließlich wieder aufschlug, waren die Glühwürmchen verschwunden; auch die Wände waren nun zu festen, statischen Gebilden erstarrt. Lediglich der Trommler hämmerte nach wie vor mit einer unverminderten Wucht auf sein Instrument.
Ich bemerkte, dass ich auf dem Boden lag, und richtete mich vorsichtig auf. Augenblicklich vollführte der unsichtbare Drummer ein geradezu teuflisches Solo. Mein ganzer Körper schien aus einem einzigen Schmerz zu bestehen. Zitternd tasteten meine Finger nach meinem Kopf. Als ich dort oben feuchte, verfilzte Haare und eine enorme Beule fühlte, dämmerte es mir langsam, dass sich genau dort der Resonanzkörper für meinen Trommler befand.
»Verdammt, du lebst ja noch«, murmelte ich ungläubig.
Ächzend setzte ich mich nun ganz auf und lehnte den geschundenen Körper gegen die Wand. Als ich nach einem kurzen Schwindel wieder klar sehen konnte, erkannte ich, dass ich genau vor der verschlossenen Tür zu Bastets vermeintlicher Kleiderkammer saß. Ich spürte die zahlreichen Schmerzquellen, fühlte, dass ich lebte und doch konnte ich es noch immer nicht so recht glauben. Aus irgendeinem mir unerklärlichen Grund hatte Ach mich verschont.
Nun gut, angesichts des höchst jämmerlichen Häufchens Elend, in das sie mich verwandelt hatte, war verschont vielleicht eine etwas übertriebene Bezeichnung, ein Wunder blieb es aber dennoch. Ungefähr so musste sich ein Mann fühlen, der kopfüber in eine Häckselmaschine gefallen, und mit nur einigen Beulen und Schrammen davongekommen war.
Ich legte meinen Kopf in beide Hände und wartete ab, bis sich das Pochen auf ein erträgliches Maß reduziert hatte. Immer wieder stellte ich mir die gleichen Fragen: Wie hast du es nur geschafft? Wie ist es dir gelungen, diesem blutgierigen Monster zu entkommen?
Die Möglichkeit, dass Ach nur geblufft hatte, schloss ich bei meinen Überlegungen von vornherein aus. Sie hatte kein makabres Spielchen mit mir gespielt, dessen war ich mir sicher. Nein , dachte ich, wir haben einen harten erbitterten Kampf auf Leben und Tod ausgefochten, aber durch eine unbegreifliche Fügung des Schicksals bist du dem klar überlegenen Feind entkommen. Doch wodurch? Konnte es sein, dass ich genau das Glaskinn der Dämonin getroffen hatte? Ein klassischer K.O. also? Behutsam schüttelte ich den Kopf. Und wer hatte mich dann hier hinaus auf den Flur gezogen? Achs hilfreiche Cousine? – Es war sinnlos. Eine Erklärung war abstruser als die andere.
Ich weiß nicht mehr, wie lange ich dort benommen an der Wand lehnte; als ich mich schließlich
Weitere Kostenlose Bücher