Katzendaemmerung
Gehirnerschütterung einen totenähnlichen Schlaf.
Mia kam auch in dieser Nacht nicht zurück.
Am nächsten Morgen verspürte ich zwar noch immer einen leichten Brummschädel, in der heißen Phase meiner Sauftouren hatte ich allerdings schon Schlimmeres erlebt. Mit Erleichterung stellte ich fest, dass die Verbände die Blutungen gestoppt hatten. Meine Güte, du bist ja beinahe schon wieder fit , dachte ich ironisch. Bereit für den nächsten Fronteinsatz. Beim erneuten Verbinden des Arms stellte ich fest, dass auch mein rechtes Handgelenk eine dunkelblaue Schwellung davongetragen hatte. Vier rote Halbmond-Schnitte krönten das Andenken an Achs fürsorglichen Klammergriff. Ich zuckte nur leicht mit den Schultern. Die Hand ist noch dran, also, was soll’s?! , dachte ich. Du kannst sie sogar leidlich bewegen. Vergiss es! Im Krieg konnte man sich schließlich nicht um blaue Flecken kümmern. Und genau das war es: Es herrschte Krieg. Zumindest was Ach und mich betraf.
Nach einem ausgiebigen Frühstück – bestehend aus Bratkartoffeln, Rührei, Würstchen, gebutterten Toasts, Kaffee, Orangensaft, einem Becher ›Ben und Jerry’s‹ und zwei Aspirin – fühlte ich mich wieder halbwegs wie ein Mensch. Nun galt es, die gröbsten Kampfspuren möglichst unauffällig zu verdecken. Mia musste ja nicht gerade mit der Nase auf meinen erbärmlichen Zustand gestoßen werden.
Das Problem löste sich einfacher als erwartet. Da die meisten Spuren auf Brust und Armen zu sehen waren, konnte ich sie mühelos unter einem langärmligen Freizeit-Hemd verbergen. Meine Beule am Kopf verschwand unter einer Baseball-Kappe der ›California Angels‹, die ich mir keck verkehrt herum aufsetzte.
»Perfekt«, lobte ich mich selbst. In dieser Aufmachung bot ich zwar ein ungewohntes Bild, dafür hielt aber auch meine Tarnung den kritischsten Augen stand. Mit Hilfe einer ›Ray Ban‹-Pilotenbrille, die ich gelegentlich auch sonst im Büro trug, konnte ich sogar die kleine Läsion im Gesicht unsichtbar werden lassen. Ich war bereit. Mia konnte kommen. Wenn sie meine Charade durchschaute, würde ich halt ein noch größeres Improvisationstalent an den Tag legen müssen.
Ich begab mich ins Büro und bedeckte den Schreibtisch mit allen möglichen Papieren und Fotos, die in der Ablage ›Zu erledigen‹ steckten. Die künstliche Choreografie eines kreativen Chaos. An Arbeit war allerdings nicht zu denken. Das Wissen, dass man die Wohnung mit einer vampirartigen Irren teilte, wirkte sich nicht gerade positiv auf das Betriebsklima aus.
Ach hatte mich in der Nacht kein zweites Mal angegriffen; sicher fühlte ich mich deswegen aber noch lange nicht. Jeden Augenblick konnte sie hinter mir auftauchen, um mir genüsslich langsam die Kehle aufzuschlitzen. Vielleicht aber, so hoffte ich, war nur derjenige in unmittelbarer Gefahr, der sich direkt im Tempelbezirk aufhielt. Die Ungewissheit ließ mich wachsam bleiben.
Es war bereits früher Abend, als ich das Schlagen der Wohnungstür vernahm. Hastig beugte ich mich über den Tisch, um den geschäftigen Star-Fotografen zu mimen. Bleib’ cool , sagte ich mir. Verhalte dich so, wie immer. Es war leichter gesagt, als getan; so, als gehöre die Hand nicht mir, sondern einer aufdringlichen Anstandsdame, zupfte sie ständig am linken Hemdärmel.
In ihrer schon provokativ-fröhlichen Art tänzelte Mia ins Zimmer. Sie trug eine weiße, mit zarten gelben Punkten gemusterte Bluse, einen kurzen schwarzen Rock und hochhackige schwarz-weiße Lackschuhe. Vertraute Farben in immer neuer Kombination. »Hi!«, grüßte sie ausgelassen. Als ich nicht sofort reagierte, kam sie hinüber zum Tisch und stützte sich so auf, dass man durch den Blusenausschnitt deutlich ihre Brüste erkennen konnte. »Ooooohh«, gurrte sie mitleidig, »kennt mein armer Liebling denn nichts anderes mehr als Arbeiten, Arbeiten, Arbeiten?«
Ich tat so, als hätte ich sie erst jetzt bemerkt. Wir wussten beide, dass dem nicht so war. Wir spielten ein Spiel – eher schon eine Farce – um mir zumindest die Illusion einer moralischen Entrüstung über ihr Treiben zu gewährleisten.
Scheinbar völlig überrascht schaute ich auf. »Oh, äh … hi … Miss Wie-war-doch-noch-gleich-der-Name?«
Meine Partnerin kannte ihr Stichwort genau. »Mia. M – I – A, es ist ganz leicht zu merken. Der Name schreibt sich fast so wie das ›Miaow‹ einer Katze.«
Einen tiefen Seufzer ausstoßend tippte ich mir gegen die Stirn. »Ach, stimmt ja. Ich wusste
Weitere Kostenlose Bücher